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Denn Gutes bleibt, was Gutes war

November 7, 2011

Als ich heute vom Arzt nach Hause fuhr, kam ich an der Runden Ecke vorbei.

Dort befand sich 40 Jahre lang die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Weil so ein altes Gebäude viel zu klein ist, um einen ganzen Bezirk zu überwachen, steht daneben ein ordentlicher Plattenbau, mit genügend Raum für Archive und Überwachungsprotokolle.

Davor entdeckte ich ein, ja, ein Denkmal? Es ist vielleicht noch nicht fertig, denn nirgends fand ich eine Inschrift. Oder es soll für sich selbst sprechen? Oder darf es einfach jeder deuten, wie er will?

Schließlich residierte in dem Neubau, nachdem er Ende 1989 gestürmt und ausgeräumt wurde und es Mitte der 90er zur Wiedervereinigung Deutschlands kam, jahrelang das Arbeitsamt darin, bevor es in seine schön sanierten  Gebäude im Norden der Stadt umziehen durfte (sahen ja auch wirklich nicht schön aus, diese Schlangen Arbeitssuchender in Sichtweise der gerade neu entstehenden Boutiquen und so weiter).

In der Runden Ecke selbst befindet sich jetzt das Stasi-Museum, eines der bedrückendsten Museen der Stadt. Es zeigt uns nicht nur, wie schlimm wir tatsächlich überwacht wurden, es erinnert auch an den Herbst 1989, nicht zuletzt auch an die Räumung der Bezirkszentrale und irgendwie auch an den damals berechtigten Unmut der Bürger dieser Einrichtung gegenüber.

   

…..

Und nun schauen sie sich das 1. Foto noch ein Mal genauer an!

….

Sehen Sie es?

Nicht?

….

Ich helfe Ihnen und …

… zoome ran:

Diese Kameras gehören keinesfalls zum Museum. Das heißt, sie gehören natürlich doch. Aber sie sind keine Museumsstücke.

Weil zu den zwei alten noch aus Stasizeiten stammenden Kameras vier neue dazugekommen waren, erhielt das Museum auch anlässlich der 1. Verleihung des Erich Mielke Gedächtnispreises an einem 7. Oktober des Jahres 1993 oder 1994 den Preis „Ironie der Geschichte“.

Den Gedächtnispreis verlieh damals die Gruppe „Leipziger Kamera“, mit der ich eine Zeitlang zusammen arbeitete. Sie übte jahrelang Kritik an den zunehmenden Überwachunspraktiken in einem Land, in dem die Bürger 13 Jahre vorher noch genau dessen Abschaffung gefordert hatten. Die Verleihung des  EMG, Erstellung eines Stadtplans der Innenstadt mit allen Kameras (damals 673 innerhalb des Rings), sowie (Kamera) Stadtführungen waren als Teil der kontinuierlichen Kritik und Recherche als spektakuläre und medienwirksamste  Aktionen angelegt.

Die alten Kameras gibt es heute, 22 Jahre nach 1989, natürlich nicht mehr.  Die Gruppe  „Leipziger Kamera“  leider auch nicht.

Die Kameras aber sind, wie man sieht, noch da. Und schützen das Museum , ja,…

wovor eigentlich?

6 Kommentare leave one →
  1. November 7, 2011 5:37 pm

    Ich mag sie nicht sonderlich, diese allgegenwärtigen Überwachungsinstrumente! Zum Glück wurden wir hier noch weitgehend davon verschont. Doch selbst in unserer mittelgrossen Stadt wurden dieses Jahr an einigen wichtigen Plätzen Panorama-Kameras installiert. Zum Schutz der Bürger. Natürlich.

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  2. November 8, 2011 1:25 am

    Dann haben die Installateure der feinen Technik doch ihr Ziel erreicht, es werden Menschen von den Kameras abgeschreckt. Na gut, nicht die Menschen, die man eigentlich abschrecken wollte, die bekommt man nur schneller zu fassen. Aber Kameras können nun einmal keine Bürger schützen, sollen sie auch gar nicht. Kameras sollen Eigentum schützen, und da es im Kapitalismus mehr Eigentümer gibt, sind logischerweise auch mehr Kameras im Einsatz. In Supermärkten, Coffeeshops, Drogerien..wo man auch hinsieht.
    Eigentlich sollte man immer eine Spraydose mit schwarzem Lack mitführen. Aber man wird halt schnell erwischt.

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    • November 8, 2011 4:08 pm

      Naja, das ist eben der Trugschluss, dass Kameraüberwachung bei Kriminalitätsbekämpfung (auf der Straße) helfen könnte. Die Kriminalität wird durch Kameras nicht weniger, sie verlagert sich nur. Selbst Polizeipräsident Müller gab irgendwann in einem Interview zu, dass die Hallenser (die Stadt liegt nur 30 min von L.E. entfernt) sich seit der lückenlosen Überwachung der Leipziger Innenstadt mit mehr Delikten zu tun hätten.
      Streetworker und Drogenpolizei haben es dagegen in L.E. viel schwerer, weil es keinen „zentralen“ Markt mehr gibt.
      Und zur Verleihung des 1. Mielkepreises erhielt der Leipziger Hauptbahnhof den Preis für Planübererfüllung! Eine Freundin, der kurz zuvor das Rad eben auf dem Bahnhof geklaut wurde, nutzte die Gelegenheit der Preisübergabe und fragte nach ihrem Rad. Da konnte ihr leider niemand helfen.

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  3. Die Gedanken sind frei permalink
    November 8, 2011 9:25 am

    Schlimm, und es werden immer mehr!
    Webcam an jeder „wichtigen“ Ecke in den Städten und alles live im Netz. Dazu kommen die Millionen privaten Handys und Digis.

    Ganz besonders „beobachtet“ fühle ich mich von diesen Dingern in den Eingangsbereichen von Privat-Häusern.

    Liebe Grüße

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    • November 8, 2011 4:12 pm

      In unserem Haus wollten Bürger auch mal per Unterschriftensammlung die Installation einer Kamera erwirken. Wegen der Jugendlichen, die hier rum lümmeln und sprayen würden!!!
      Ich dachte, ich flippe aus. Als ich mich wieder beruhigt hatte, habe ich den Damen aber mehr als meine Unterschrift versprochen, wenn sie noch mal wieder kämen, weil sie die Städtische Wohnungsverwaltung auffordern wollen, einen der vielen leer stehenden Kellerräume den Jugendlichen zur freien Verfügung zu stellen. Leider findet niemand im Haus diese Idee gut, außer mir und den Jugendlichen…

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