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Hölle Weihnachtsmarkt

Dezember 7, 2014

Eigentlich mag ich Weihnachtsmärkte. Ich schlendere gern durch die Gassen, schwelge im Dunst von gebrannten Mandeln, Glühwein, Kreppelchen und frisch gegrilltem, nasche hier und koste da, schau bei den Holzschnitzern vorbei und kaufe kleine Geschenke, probiere Mützen und lasse mich von selbst gemachten Klamotten inspirieren.

Nur leider, so funktioniert Weihnachtsmarkt nicht. Nicht mal mehr auf der Festung. Es wird geschoben und gestaut, man kommt hier nicht durch und kann da nicht in Ruhe gucken.

Als wir im Zug nach Dresden saßen, erzählte mir mein Nachbar, dass er nach Bautzen führe, da sei es nicht so überfüllt. Mein Nachbar reiste aus Gera an, arbeitet da in einer Behindertenwerkstatt und konnte mir noch sagen, wann er wo 1989 umgestiegen ist. Der Zug nach Dresden war proppevoll und es liegt wohl an meiner besonderen Ausstrahlung, dass leicht Hilfsbedürftige immer zu mir finden. Sei es, um mich anzubetteln, sei es, um mir ihr Herz auszuschütten. Denn mein Nachbar war nicht eigentlich hilfsbedürftig, so wie der Kursbücher auswendig kannte, er brauchte nur jemanden, der ihm zuhört.

6. Dezember, Nikolaustag. Die Prinzessin, das Große Kind und ich auf dem Weg nach Dresden. Das Kleine Kind nebst Freund besuchen. Der des Großen Kindes redete sich mit Krankheit raus, der Schlaue. Denn natürlich, wenn wir schon mal da sind, wollten wir auch auf den Weihnachtsmarkt. Den in der Neustadt, den am Schloss, den an der Frauenkirche und natürlich, auf den Striezelmarkt. Das am 6. Dezember auch Stollenanschnitt ist, haben wir zu spät erfahren. Ob es ohne Stollenanschnitt leerer gewesen wäre, wage ich zu bezweifeln.

Immerhin, wir hatten den mit unserem Supersparticket frühesten möglichen Zug genommen, da sollten wir vor dem großen Ansturm wenigstens ein bisschen was gesehen hatten.

Das Kleine Kind und Freund wohnen in der Neustadt. Und zwar dort so was von mittendrin, mittendrinner geht es gar nicht mehr. Da zuckt sich an einem Samstag Vormittag, auch wenns schon eine Stunde vor Mittag ist, noch gar nichts. Da kann man sich noch in aller Ruhe geschlossene Kneipen angucken und so Merkwürdigkeiten.

Aber heute gehts um Weihnachtsmärkte. Einmal über die Kreuzung und wir betreten den ersten. Den mit dem hässlichsten Baum, den man sich hinstellen kann. Vielleicht soll er ja zur Abschreckung dienen? Oder das Fremde betonen? Denn hier geht es international zu. Gemischt mit Sächsisch freilich. Leckere Sachen könnte man hier probieren, wenn uns das Kleine Kind nicht mit Plätzchen gefüttert hätte (Rezept gibts demnächst).

Dann also ab über die Elbe und rein ins Getümmel der Altstadt. Den Weihnachtsmarkt am Schloss lassen wir ausfallen. Nicht, weil er Eintritt kostet (dieses Jahr war ich bereit zu löhnen), sondern weil man schon, um rein zu kommen, anstehen muss.

Wir laufen weiter, staunen über ein paar alte Preußen und stehen am ersten Karussell. Und vor einem Fassadenbild vielleicht aus den 60ern. Ich liebe so was ja und erfahre, dass das sogar saniert werden soll, obwohl da der Marx drauf ist und ein Stück DDR und viele Proletarier und Intelligenzia im Dienste der Proletarier. Finde ich gut, dass man inzwischen aufhört, alles abzureißen oder zu übertünchen und stattdessen Geschichte zu akzeptieren.

Und dann an einer Baustelle vorbei zur Frauenkirche. Hier, erzählt der Freund des Kleinen Kindes, er interessiert sich für Geschichte und ist wirklich ein perfekter Städteführer, wird Dresden so nachgebaut, wie es früher aussah. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und auch da, wo zwischendurch mal moderner gebaut wurde, passt das zum Gesamtbild. Das kleine handbetriebene Kettenkarussell, mit dem die Prinzessin dringend fahren muss, macht uns Erwachsenen ja etwas Angst. Aber da saß noch ein viel zierlicheres Mädchen drauf und gelte es nicht, deren Privatsphäre zu respektieren, würde ich das Foto hier präsentieren. Denn dieses fremde Kind musste ich ablichten, das hing so Klasse in seinem Sitz und ihr Blick spricht Bände.

Nun aber auf zum Striezelmarkt.

Die Mädchen wollen eigentlich Handbrot, geben aber schnell auf und sind mit Langos zufrieden. Ich aber will Fleisch. Der Freund des Kleinen Kindes auch. Die Prinzessin Bratwurst.

Und die Hölle beginnt.

Es gibt Gassen, durch die versuchen wir gar nicht erst zu kommen. Erschwert wird die Suche dadurch, dass es hier nur Glühwein und Süßes zu geben scheint. Auf dem ganzen Striezelmarkt! Als wir endlich an so einer Wildbretbude landen, stehen da schon alle, die keine Crêpes oder Waffeln wollen.

Wir finden dann doch noch was, verlassen mit unserer Beute den Markt, laufen außen herum und wühlen uns wieder hinein. Bratwurst will die Prinzessin jetzt nicht mehr. Nix da! Es wird gegessen, was erbeutet wurde!

Dann wühlen wir uns weiter. Echt, es gibt Gassen, in denen steht man einfach. eingekeilt zwischen Fremden. Kein vor, kein zurück. Der Freund des Kleinen Kindes will nach Hause.Ich eigentlich auch. Die Prinzessin will Riesenrad fahren. Zum Glück hat sie mit dem Kleinen Kind den einzigen tapferen in der Familie, der da mit fährt. Dem Freund wird schon vom Zugucken schlecht und jetzt will er erst recht nach Hause. Das Große Kind ist schmerzfrei und will noch shoppen und ich verlasse Dresden nicht ohne Glühwein.

Also schieben und stauen wir weiter.

Aber nur bis wir wirklich alle Punkte abgehakt haben.

15:15 sitzen wir im Zug zurück nach Leipzig. Auf dem Weg zum Dresdner Hauptbahnhof kamen uns die Menschen vor allem entgegen. Tausende. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es nachmittags und abends da zugeht,auf den Weihnachtsmärkten.

26 Kommentare leave one →
  1. Dezember 7, 2014 11:26 am

    Handbrot? Langos??
    Dass man endlich aufhört, alles blindlings wegzureissen, lässt mich aufatmen.
    Und dass man auf einem Weihnachtsmarkt Eintritt zahlen muss, finde ich auch prima.
    Das läutet die Endphase der Konsumgesellschaft ein, dass man dafür zahlen muss, wenn man konsumieren will. (Müllgebühren zahlen zwar schon, aber da lässt sich mit der Erbschaftsentsorgung auf der Müllkippe sicherlich noch einies erfinden 😉

    Weihnachtsmärkte sind echt so was von… Toller Bericht & ebensolche Fotos

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  2. Dezember 7, 2014 11:33 am

    Hach, ich bin in diesem Jahr weihnachtsmarktbefreit.
    (Wir waren heute am fast nördlichsten Punkt, den die Insel zu bieten hat.)

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  3. Dezember 7, 2014 1:28 pm

    Nahe des Personal-Ausgangs der Residenz befindet sich das Tor zum Kaiserhof, und somit der Eingang zum dort aufgebauten Weihnachtsdorf. Auch an Werktagen musste ich mittlerweile die Qualitäten von Rugby- bzw. Football-Spielern entwickeln, um mich Richtung Odeonsplatz und Bushaltestelle durchzuboxen, ein solches Gedränge, Geschiebe und Geschubse herrschte auf Straße und Platz! Sogar an den Wochentagen! Unglaublich! Am Montag habe ich nur mal eine kurze Runde durch dieses Weihnachtsdorf gedreht, und dann gleich wieder fluchtartig den Ort verlassen…

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    • Dezember 9, 2014 8:18 am

      Ja, also wenn man von A nach B will, geht so ein Markt gar nicht. Kenne ich ja von hier. Gestern, als ich ein paar spezielle Süßigkeiten gekauft habe in einem Laden auf der anderen Ringseite, bin ich um die Innenstadt herum gelaufen. Lieber Umweg als Markt und Leute mit Rentiergeweihen aufm Kopp

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  4. Dezember 7, 2014 3:22 pm

    schöne fotos! hier werden die weihnachtsbäume ab morgen aufgebaut, und in den dörfern und städten gibt es kunsthandwerkerstände für die touris. am 20.12. beginnen die langen sommerferien:)

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    • Dezember 9, 2014 8:19 am

      Ich könnte mir vorstellen, wenn man nicht in Deutschland lebt, geht man gern hier auf den Markt, wenn man mal da ist. Mein derzeitiger Gast aus Polen ist jedenfalls nahezu täglich dort

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  5. Dezember 7, 2014 9:09 pm

    Warum nur habe ich die Weihnachtsmärkte von früher so romantisch in Erinnerung und heute finde ich sie eigentlich nur stressig und vollgestopft? Liegt das am Älterwerden? 🙂

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  6. Dezember 7, 2014 9:11 pm

    Grosse, berühmte Weihnachtsmärkte sind allesamt die Pest. Deswegen bin ich so gern hier auf unserem. Und übernächste Woche gehen wir auch nur auf ganz kleine, aber auf so viele wir schaffen. 🙂

    (So ein „hässlichster Weihnachtsbaum der Welt“ ziert übrigens hier auch den Marktplatz – also nicht den, wo der Weihnachtsmarkt stattfindet – ich muss dann immer an das hier denken: http://myyratohtori.wordpress.com/2013/06/14/wie-im-horrorfilm/ *schüttel* )

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    • Dezember 9, 2014 8:21 am

      Ja, kleine, die sind gut. Über die blogge ich aber nicht. Die behalte ich für mich 😉

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  7. Dezember 7, 2014 10:33 pm

    Zum Glück geht es da hier in Chemnitz noch human zu.

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  8. Dezember 7, 2014 10:34 pm

    Schrecklich ist es abends auf den Weihnachtsmärkten. Vor allem, wenn sie sich mitten durch die auch außerhalb des Dezember überfüllte Fußgängerzone verteilen, so wie in Rostock. Wenn man dann noch einen Kinderwagen dabei hat…. Unser Ausflug hat sich aber trotzdem gelohnt, denn nachdem wir nach30 Minuten die Flucht ergriffen waren wir lecker beim Inder essen 🙂
    Wir werden uns demnächst auch lieber an den lokalen Weihnachtsmarkt halten….

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    • Dezember 9, 2014 8:23 am

      Ja, hier in Leipzig auch. In Dresden waren wir mit Kinderwagen. Sonst hätte jemand sie ständig tragen müssen, denn selber laufen wäre gar nicht gegangen

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  9. Dezember 7, 2014 11:39 pm

    Für so ein bisschen Glühwein den ganzen Stress? Das macht man doch nur noch, weil man hofft das Enkelkind damit glücklich zu machen (also nicht mit dem Glühwein natürlich, mit dem Rest) 😀

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    • Dezember 9, 2014 8:24 am

      Ja, was dachtest Du denn? Ohne Enkel ginge das gar nicht. Glühwein brauchte ich dann trotzdem.

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  10. Dezember 8, 2014 11:38 am

    Die Frage ist also, wie könnte man die Märkte und die Stimmung entschleunigen?? Ich liebe den Duft und die Leckereien, scheue jedoch große Menschenaufläufe und schaue nicht gern in gehetzte Gesichter. Ziemlich blöd. Ich besuche den Markt also nur unter der Woche…

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    • Dezember 9, 2014 8:25 am

      Ich habe keine Ahnung. Da steckt zu viel Kommerz hinter. Unter der Woche kippt man hier in L.E. Busladungen von Touristen aus. Also spät nachmittags, wenn ich könnte, ist es da auch voll

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      • Dezember 9, 2014 11:11 am

        ich war gestern Abend mal auf’m Leipziger Markt… Das ging – man konnte sogar durch die kleinen Gassen und durch die Grimmaische Straße laufen 🙂

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  11. gemeinsamleben permalink
    Dezember 8, 2014 7:45 pm

    Deswegen wahrscheinlich die vielen Glühwein-(na, ja..wein?)buden auf den Weihnachtsmärkten. Nüchtern? Geht das?

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  12. Dezember 10, 2014 2:56 pm

    Zum gefuehlt 10. Mal von Langos auf Blog in den vergangenen Wochen gelesen. Da wir hier auf Weihnachtsmarktentzug sind, habe ich kurzerhand ein Rezept ausgewaehlt und zu Hause gemacht. Trotz der fehlenden Weihnachtsmarkt- resp.Kirchweih-Umgebung/Atmosphaere hat es ganz lecker geschmeckt. Lief auch unter „kulturelle Bildung“ – wissen nun auch die juengeren Kinder ueber eine deutsche Gepflogenheit bescheid. Handbrot kannte ich noch nicht. kommt als naechstes – aber nur fuer die Erwachsenen. Kraeppelchen koennte ich auch mal wieder machen. Ich mutiere im Ausland echt zur Alles-Selbermach-Hausfrau. Nicht freiwillig. Seufz. Die Leipziger Waffeln mit der fluffigen Vanillecreme (wie frueher TM) vermisse ich sehr – das bekomme ich aber leider nicht so lecker hin.

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