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Wasserspiele

September 9, 2014

Chabarowsk, 19.Juni 2014, ein Samstag

Das Frühstück in dem Hotel, das ja eigentlich ein Hostel ist, ist ein Witz. Obwohl wir auf Geschirr bestehen. Nuja, wir wollen eh diesen Starbucksersatz, der hier Megafon heißt, suchen. Das Lenincafé in Irkutsk hatte es uns doch sehr angetan und wir hoffen auf ein ähnliches Erlebnis.

Wir suchen lange und vergeblich, denn als wir Adresse endlich finden, erfahren wir, dass das Café schon lange geschlossen ist. In der Gegend wundert uns das nicht. Wohngebiet. Plattenbauten. Wer hat nur geglaubt, die Menschen hier könnten sich den teuren Kaffee leisten? Und Besucher verirren sich nicht hierher. Nur wir.

Wir sind landen in der Uliza Lenina und merken schmerzhaft, dass die Boulevards hier gar nicht parallel zueinander verlaufen, sondern vom Amur aus eher so strahlenförmig weg gehen. Jedenfalls verläuft die Lenina noch mal parallel zum Ussurskij Boulevard und was am Wasser schön gemütlich rüberkommt, ist hier verdammt weit.

Aber so, beim Versuch, ins Stadtzentrum zu gelangen, sehen wir noch ein paar andere Ecken der Stadt, zum Beispiel eine Baptistenkicrhe, die sich nicht entscheiden kann, ob sie nun ersteres oder ein Gebetshaus ist, und eine Braut, die ihrem Bräutigam hinterher telefoniert. (Wir treffen sie ein paar Stunden später, sie hat ihn gefunden und machte nun einen glücklicheren Eindruck).

Vorm einsetzenden Regen flüchten wir erst in ein Restaurant und dann auf den Markt, den Rynok. So verläuft im Prinzip der ganze Tag. Wir versuchen, bei Regen immer irgendwie ein Dach überm Kopf zu haben. Und es regnet ziemlich oft. Trotzdem schaffen wir es einigermaßen, uns die Stadt zwischen Amur, dem Bahnhof und den beiden Boulevards anzusehen. Sogar in die Lenina biegen wir, vom Fluss kommend ein. Bis uns einfällt, dass das mit dem parallel ja nicht so wörtlich zu nehmen ist. Die in meinem Handbuch aufgeführten. „teilweise“ unter Denkmalsschutz stehenden Holzhäuser gibt es nicht mehr, da stehen jetzt Wohnhochhäuser.

Ziemlich lange sitzen wir in Chao Kakao in der Hauptstraße, natürlich ist der Grund der Regen, aber hier gibt es auch einen Freisitz, und Freisitz sind, außerhalb Moskaus noch nicht so richtig angekommen in Russland. Dieser Freisitz ist sogar überdacht. Pünktlich zum Kulturprogramm hört es auf. Zu regnen, meine ich. Und ja: Kulturprogramm. Heute ist Samstag, die Putzfrau aus dem Hostel hat uns einen heißen Tipp gegeben, aber vorher wackeln wir noch mal zum Amur, zum Musikpavillon. Da gibt es heute keine Blasmusik. Ich weiß nicht, was es sein soll. Punk? Hard Rock? Die Band weiß es selber nicht, die Fans können sich auch nicht entscheiden. Sicher ist eigentlich nur eins: ES ist gruselig.

Also schlendern wir den Ussurskij Boulevard entlang und dem nächsten Höhepunkt entgegen. Die Cousine begutachtet jede Blumenrabatte, lobt oder kritisiert die nicht vorhandenen Gärtner und legt auch gern mal selbst Hand an, zupft hier ein verwelktes Pflänzchen raus und da ein Unkraut. Das ist mir, ehrlich gesagt, etwas peinlich. Ich sage es ihr, kann mich aber nicht verständlich machen und laufe dann eben lieber 10 m vorneweg. Oder hinterher.

Die Fontänen erreichen wir weit vor 22:00 Uhr. Dann aber beginnen beleuchtete Wasserspiel, 1 Stunde lang, begleitet von klassischer Musik und Klassikern der Popmusik. Wow und Oh. Ich muss sagen, mit richtiger Klassik kommt es besser. Alle starren auf das große Wasserbecken mit den verschiedenfarbigen Fontänen, dabei gibt sich ein „kleiner“ Brunnen in unserem Rücken alle Mühe, auch beachtet zu werden. Das soll es hier jeden Samstag geben, im Sommer.

Dafür gibt es nur auf den Hauptstraßen Laternen. Und so lange hell wie am Baikal ist es hier lange nicht. Um Elf, zappenduster. Und unsere Taschenlampen im Hotel, das ja ein Hostel ist. Zum Glück habe ich eine Taschenlampen App und ich hoffe, alle die mich deshalb ausgelacht haben, lesen das jetzt. Ich sehe nämlich sowieso überhaupt nichts im Dunkeln und die Cousine ist auch froh über meine Taschenlampen App.

Die Putzfrau erwartet uns schon. Wir sitzen und quatschen mit ihr so lange, bis sich Gäste beschweren, dass sie nicht schlafen können. Die dachten wahrscheinlich auch, dass das ein Hotel ist.

Der Großvater der Putzfrau, ich habe echt ihren Namen vergessen, ist am 6. Mai 1945 in Rosenberg gefallen. Das soll nahe Berlin sein. Der Opa war da Kommandant. Die Mutter unserer Gesprächspartnerin würde da gern mal hinfahren, aber sie können den Ort einfach nicht finden. In Deutschland. Dass es da Teile Polens gibt, die früher deutsch waren, weiß sie nicht. Wir suchen und finden auf Anhieb je eins in Schlesien, Ost- und Westpreußen. Für russische Verhältnisse sind die alle nicht soweit von Berlin entfernt.

Wir kommen auch wieder auf die Ukraine zu sprechen. Der 1. Mann der Putzfrau war nämlich Ukrainer, und ihr Sohn aus erster Ehe hat gerade ein Haus geerbt. In der Ukraine. Doch er verzichtet und geht lieber nach St. Petersburg. Da hat er zwar kein Haus, aber die Chance, in Frieden zu leben, scheint ihm etwas größer zu sein.

1:30 Uhr, die anderen Gäste beschweren sich. Gehen wir eben schlafen.

Wie immer: aufs Bild klicken, groß gucken

9 Kommentare leave one →
  1. September 9, 2014 9:16 pm

    Klasse! 🙂

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  2. September 10, 2014 5:06 am

    Starbucks gibts eigentlich schon in vielen Städten. Noch. Weiss ja keiner, wann die wegen Mängeln nicht mehr dürfen. Megafon ist doch die Telefongesellschaft, oder? Aber mit Markennamen ist man hier eh´ grosszügiger. Das konntet Ihr auch sehen an der unterschiedlichen Farbe der Media- Markt- Reklame, zum Beispiel.

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    • September 15, 2014 9:21 am

      Wir haben sie nur in Moskau gefunden. Haben in jeder Stadt wirklich gegoogelt. Gefunden haben wir nur die Ersatz-Starbucks. Megafon, ja, das ist die Telefongesellschaft. In deren Verwaltungsgebäude sollte in Chabarowsk ja auch der Ersatz-Starbucks sein. Also war er ja auch, bis er geschlossen wurde

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  3. September 10, 2014 8:14 pm

    Auch ohne viele Holzhäuser hat die Stadt scheinbar ihre Reize, schade dass das Wetter nicht mitgespielt hat. Wie gewaltig die drittgrößte Kathedrale ist sieht man ja ein paar Bilder später, sehr imposantes Teil.

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  4. September 14, 2014 9:50 pm

    Es gibt einen Stadtteil in Frankfurt/Oder, der sich Rosengarten nennt. Vielleicht fiel er dort?

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    • September 14, 2014 9:53 pm

      Und in Berlin gibt es einen Stadtteil Rosenthal.

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      • September 15, 2014 9:22 am

        Auf keinen Fall fiel er in Berlin. Und die Putzfrau bestand darauf, dass der Ort RosenBERG hieß. Aber danke für die Tipps, gerade zu FFO. Ich werds weiterleiten

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  5. September 15, 2014 6:40 am

    Beeindruckende Foto wieder…

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