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weltmeisterlich

August 28, 2014

Deutschland ist Weltmeister.

Im Hotel, dass wir für die eine Nacht gebucht haben, gleich in der Nähe des Bahnhofes, besteht das Frühstück zwar nur aus Keksen, aber es gibt einen Fernseher im Zimmer. Also stellen wir den Wecker auf 5 und gucken.

Im Zug holen wir den Schlaf nach. Aber nur auf den ersten 200 km, dann schlängeln sich die Gleise am Baikal lang. Das wollen wir nicht verpassen. Schließlich habe ich extra für diesen Zug Fahrkarten gekauft, da wäre es blöd, den See zu verpassen, nur weil wir mitten in der Nacht Fußball gucken mussten. Übrigens, es macht sehr viel Spaß, so ein Spiel mit russischem Kommentar zu gucken. Manche Spieler scheinen ja gar nicht auf dem Platz gewesen zu sein, oder sollten wir ihre Namen so gar nicht verstanden haben? Herr Schweinsteiger dagegen war überall.

Ich kann Ihnen beim besten Willen nicht sagen, wer unsere Abteilnachbarn auf diesem Stück Transsib waren. Hatten wir überhaupt welche? Denn wie gesagt, erst schlafen wir, dann schnappen wir Geld, Tickets, Pässe und Kameras und lassen uns im Speisewagen nieder. Dort wird übrigens auch frisch gekocht. Frisch! Und weil wir zunächst die einzigen Gäste sind, stellt man auf unsere Bitte den Ton des Fernsehgerätes auf stumm, und auch später, als sich das fahrende Restaurant mit (russischen) Gästen füllt, bleibt es zumindest bei einem leisen, auszuhaltenden Ton.

Links fliegt der Baikal an uns vorbei. Ein wirklich riesiger See. Manchmal scheinen die Gleise direkt am Strand lang gelegt zu sein, manchmal entfernt sich die Strecke. Um einem Dorf auszuweichen zum Beispiel, oder einem Sumpf. Es geht durch Tunnel und über Brücken. Der Koch kommt und fragt, wie ich die Eier am liebsten hätte und bereitet sie dann genau nach meinen Anweisungen zu.

Der Zug hält auf der gesamten Strecke bis Ulan-Ude, unserem heutigen Ziel, jeweils nur 1-2 min. Keine Zeit für die Verkäuferinnen auf den Bahnsteigen.

Denken wir.

Da sehe ich sie am Zug entlang flitzen. Erdbeervolle Becher in den Körben.

Cousine, schau doch mal!

An der nächsten Station wetzen wir zur Tür, doch die Schaffnerin winkt ab. Am nächsten Halt sollen wir zu ihr kommen. Da gibt es Fisch. Da winkt sie eine der Bäuerinnen heran.

Der nächste Halt ist Mysowaja. Geräucherten Omul und 3 getrocknete. Der Zug rollt schon, als uns die Frau das Wechselgeld zurück gibt.

Nach 9 Stunden Fahrzeit erreichen wir am späten Nachmittag Ulan-Ude, die Hauptstadt der Burjatischen Republik. 25% der Einwohner sollen hier tatsächlich Burjaten sein, doch davon sehen wir zunächst nichts. Wir suchen unser Hotel. Und finden es, trotz fehlendem Schild und nach einigem Hin und Her mit Hilfe einer sehr netten Einwohnerin schließlich.

Es folgt das Übliche: Sachen abwerfen und ab in die Stadt, einen ersten Eindruck verschaffen.

Das Denkmal für die Gefallenen des 2. Weltkrieges ist hier riesig. Und wird von einem Panzer gekrönt. Zu dieser Art Denkmale, die uns sehr fremd anmuten, muss ich aber sagen, dass die in Russland nicht einfach so rumstehen. Der Krieg gegen Nazideutschland ist im Bewusstsein auch der jungen Leute noch sehr präsent. Jeder hat einen Opa, der damals gekämpft oder gar gefallen ist. So sind die Kränze und Blumen nicht nur Makulatur. Sie sind ehrlich gemeint. Und ich denke, solange es noch Menschen gibt, die einen Opa hatten, der in diesem Krieg kämpfte, wird er im Bewusstsein der Menschen bleiben. Als nationales Trauma. Und die Russen sind wahrlich ein Volk, das viel Traumata zu verarbeiten hat.

Es gibt eine hübsche Fußgängerzone. Dass die Gründerzeithäuser alle saniert sind, wundert uns längst nicht mehr. Auch die Quirligkeit der Stadt. Was der Verfasser meines Transsib-Handbuches allerdings meint mit „hier hat der Reisende erstmalig… den Eindruck, in Asien angekommen zu sein“, erschließt sich uns nicht. Da sah es auf Olchon asiatischer aus. 1666 wurde die Stadt, damals ein Winterbefestigungslager der Kosaken an der Mündung der Uda in die Selenga, erstmals unter dem Namen Udinsk erwähnt. Später entstand die Festung Werschneudinsk (Ober-Udinsk). Ulan-Ude, ein burjatischer Name, der soviel wie Rotes Tor bedeutet, heißt die Stadt erst seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Wir gelangen zum Sowjetplatz. Mit Regierungsgebäude, Parlament (Churwal) und dem Sitz des Geheimdienstes.

Und mitten auf dem Platz ein riesengroßer Leninkopf aus Granit. 5m soll das Teil hoch sein. Ein Werk der Bildhauer Georgij und Jurij Neroda aus dem Jahre 1971 für die Weltausstellung in Kanada. Andrea hat mir im Zug nach Irkutsk davon erzählt und auch, dass er hoffte, 40 min Aufenthalt würden reichen, vom Bahnhof hierher zu flitzen, zu staunen und pünktlich wieder am Zug zu sein. Mir kommt das sportlich vor. Ich denke an Andrea und feixe über einen Witz in Ulan-Ude. Da heißt es, die Burjaten hätten schon immer die abgeschlagenen Köpfe ihrer besiegten Feinde zur Schau gestellt.

Gleich neben dem Platz locken ein großer Springbrunnen, Nationaloper und Philharmonie. Der unvermeidliche wiedererrichtete Triumphbogen, der zu Ehren irgendeines Zaren gebaut wurde. Wir schlendern zurück. Wir suchen den Markt. An der Hodigitreja- Kathedrale Plakate gegen Abtreibung, wir laufen ein Stück am Ufer der Uda lang, finden den Markt nicht, dafür ein paar Holzhäuser, in denen auch hier eher ärmere Menschen zu wohnen scheinen und schließlich einen ordentlichen Kaffee im Starbucks-Pendant Travellers Coffee.

Morgen fahren wir in ein buddhistisches Kloster. Schließlich sind wir im Zentrum des Buddhismus in Russland. Sogar die Staatsfahne Burjatiens bestätigt das. Die blau.weiß-gelbe Fahne, sagt mein Handbuch, symbolisiert Himmel, Reinheit und Sonne bzw. den hier verbreiteten gelben Lamaismus.

Na, schaun wir mal. Oder: pasmodrim.

11 Kommentare leave one →
  1. August 28, 2014 8:08 pm

    Du glaubst mir bestimmt nicht, was für einen langen Urlaub ich euch gönne – so geniesse ich deine Berichte und die Fotos. Und die schönen Bahnhöfe wieder…
    Das schief aufgesetzte Dach in Baikalsk finde ich merkwürdig. Ob ich die Eier (jaja?) so gewollt hätte, na ja – aber den leckeren Fisch auf dem Nebenteller hätte ich sofort probiert.

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    • August 30, 2014 9:36 am

      Ja we rweiß, vielleicht sollte das ursprünglich ein Flachdach werden und wegen des Schnees dann doch etwas abgeschrägt. Vielleicht war auch einfach nur keine Wasserwaage zur Hand oder zu viel Wodka 😉

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  2. August 28, 2014 8:29 pm

    Was ist das für ein putziges Denkmal vor dem Triumphbogen? Ballettänzer? Prinz und Prinzessin?

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    • August 30, 2014 9:35 am

      Solche Statuen stehen in vielen Städten in Sibirien rum. Nicht alle sollen an bestimmte Personen erinnern. Zum Beispiel gab es in Ulan Ude auch einen Bankier zu bestaunen, in Omsk den Kanalarbeiter, irgendwo den heimkehrenden Seefahrer. Diese beiden sind einfach nur zwei Balettänzer

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  3. August 28, 2014 9:47 pm

    Die Holzhäuschen sind wirklich so schmuck, mein Favorit ist das weiß-blaue. 😉 Richtig asiatisch sieht Ulan-Ude wirklich nicht aus…
    Freue mich schon auf die nächste Folge! 😀

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  4. August 30, 2014 6:13 pm

    fein, immer wieder diese geschnitzten und farbenfrohen fensterläden! alles andere ist natürlich wie immer hervorragend beschrieben und abgelichtet!

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  5. September 10, 2014 4:53 pm

    In die kleine Hütte am See (12) würde ich spontan einziehen wollen. Im Sommer natürlich nur, nachdem was man von sibirischen Wintern so weiß. Aber was weiß man hier schon von Sibirien, ganz bestimmt hätte es auch kein Mensch geglaubt, dass es in Ulan Ude bei Spar Colgate im Angebot gibt *g*

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    • September 15, 2014 8:56 am

      Die Hütte am See. Ja. Ich glaube, in Sibirien sind die Probleme nicht die Winter. Der See ist gefroren und als Verkehrsweg nutzbar, so wie die Flüsse. Und die Hütte kann man ja heizen. Sommer ist klar. Problematisch sind die Übergangszeiten, wenn sich die Sommerwege in Sümpfe verwandeln und Seen und Flüsse noch nicht vereist sind.
      Und Colgate im Spar? Russland ist ein riesiger Markt 😀

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