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Mit (fast) ohne Schnee

Januar 13, 2014

Am 10. Tag des Neuen Jahres und 2 Wochen nach jenem Kampfwandern in den Sümpfen zwischen Berlin und Lausitz lasse ich mich also an den Rand von Leipzig fahren, steige um in den Schneiderbus und fahre mit nach Bozi Dar. Das liegt im Erzgebirge, tschechische Seite, gleich hinter der Grenze. Zwei Stunden fährt man von Leipzig aus dahin.
Skilanglaufwochenende.
Nuja, ich muss niemandem etwas über den Winter 2013/2014 erzählen. Nur soviel: Auch im Erzgebirge, tschechische Seite liegt kein Schnee. Fast keiner. Was da fleckchenweise vor sich rumdümpelt, ist Altschnee, liegt wahrscheinlich noch vom Vorjahr dort, vom Januar aber, versteht sich.
Aber die Baude ist gebucht, seit 12 Monaten schon, ich selber habe dem organisierenden Freund vor einem Vierteljahr zugesagt, da kann man jetzt nichts machen. Außer die Ski zu Hause lassen und sich aufs Wandern einzustellen. Schlimmer als im Spreewald kann es nicht werden. Und außerdem, Menschen, die schon immer bewegungsorientiert unterwegs waren, können so Strecken ganz gut einschätzen und müssen nicht 22 km „machen.“ Die brauchen auch keine Schritt- und Kalorienzähler.
Ich bin also, trotz des Mangels an Schnee, guter Dinge.
Vorsichtshalber habe ich zu Hause noch geguckt, ob der Herr Schneider gerade Geburtstag hat. Ich kann mich da an den letzten Januar erinnern, als ich Alkohol opfern und verschenken musste, weil ich eben unvorbereitet war. Doch der Geburtstag ist erst nächste Woche und … brumm … haben zwei andere Geburtstag. Genau am Freitag. Na toll. Wusste ich natürlich nicht. Aber auch ohne Geschenk lässt es sich ganz prima feiern.
Und anders als mit den anderen Freunden muss ich mein Zimmer mit niemandem teilen, was nach mehr oder weniger herzhaftem Genuss alkoholischer Getränke ja nicht schlecht ist.
Am Samstag dann stiefeln wir also durch den Wald. Ungefähr da, wo man sonst auch ganz gern skilangläuft. Wer uns jetzt zufälligerweise gesehen hat, mag denken: HALT! Da läuft man nicht Ski! So abseits der Loipen/Wege. Doch!, kontere ich, mit dem BSV läuft man genau da! Mit oder ohne Ski! Ein bissl abseits muss immer sein, und sei die nächste Straße nur 5 m entfernt und durchs winterlichte Dickicht gut zu erkennen.
Es ist kein sonniger Tag. Am Vormittag wabelt sogar noch tiefer Nebel irgendwo da vorn durchs Land. Abseits der Wege ist es ziemlich feucht und matschig, auf den Wegen teilweise recht glatt. Wir bewundern Aussichten, Holzschnitzereien und sonstige Kunstwerke, quatschen, kürzen ab, verlieren immer mal den einen oder die andere, warten, stieren auf still stehende Skilifte, stehen vor geschlossenen Restauraci und Hostineci und verpassen mindestens eine, weil wir falsch abbiegen und über eine Wiese und einen kleinen Bach abkürzen.
So ist es nicht verwunderlich, dass wir, ausgehungert und überzeugt, uns im Zentr Goroda Abertamys zu befinden, das erste Café, das seine Pforten geöffnet hat, stürmen. Außer uns haben da genau noch zwei Menschen Platz, zwei Biker, die zu deren Glück schon da sitzen, als wir stürmen. Die Wirtin freilich ist von so viel Andrang überwältigt. Und wenn dann auch noch alle 16 Leute cheesecake wollen… dann werden die Stücke eben passend groß gemacht. Dabei wollen gar nicht alle cheesecake, mindesten zwei nehmen Sacher und eine Caramel. Leider trinken auch nicht alle dasselbe. Manche wollen Milchkaffe, andere Latte Macchiato, ganz viele einfach nur grrrosse Kaffee und ganz Schlimme Borodino. Das ist zu viel. Schon bei der Bestellung hat die Dame Schwierigkeiten, obwohl ihr Mann ihr nun zu Hilfe eilt, beim Servieren sowieso und bei der Bezahlung wird das Chaos perfekt.
Nicht wirklich alle, vor allem die cheesecake-Esser sind satt, manche haben keinen Borodino oder Milchkaffee bekommen, als wir aufbrechen und nun das wirkliche Ortszentrum entdecken. Mit mindestens 2 Restaurants, aus denen es verlockend nach Knedli duftet.
Aber es ist gar nicht mehr weit zur Baude, höchsten 2 km, das schaffen auch die cheesecake-Esser geradeso.
Dort allerdings gilt es, die Wartezeit bis zum abendlichen Schnitzel bzw. Forelle zu überbrücken und das kann mit nur cheesecake im Magen ganz schön gefährlich werden. Zwar feiert heute niemand mehr Geburtstag, aber es findet sich doch noch genügend Alkohol in diversen Rucksäcken. Aber keine Sorge! Wir sind ja nicht haltlos, benehmen uns beim Abendbrot und beschließen den Rest des Abends mit Häkelkursen, Spielen, viel dummen Gequatsche und ein paar Getränken.
Am Sonntag lacht uns dann die Sonne entgegen. Sogar geschneit hat es die Nacht. Nur so ein bissl, grad so, dass die Wege wie gezuckert aussehen. Nach so einer langen Nacht mit Freunden kann Sonne allerdings auch etwas schmerzhaft sein, trotz Sonnenbrille und Aspirin.
Die Autofahrer chauffieren die Mitfahrer wieder nach Deutschland. Dort versteht man die Kollegen von der Polizei wenigstens, wenn sie etwas am Zustand der Fahrer zu bemängeln haben.
Vom Tellerhäuser aus schlittern und wandern wir Richtung Fichtelberg, natürlich nicht, ohne Umwege zu nehmen, finden dann, dass es an der Sachsenbaude nun genug sei mit der Wanderei und Zeit, einzukehren, können beim Mittagessen auch gleich direkt die deutschen mit den tschechischen Preisen vergleichen, schlittern zurück und fahren dann gelassen Richtung Tieflandbucht. Jetzt soll mal einer kommen, so ein Verkehrswächter. Jetzt besteht jeder von uns den Pustetest.

9 Kommentare leave one →
  1. Januar 13, 2014 11:40 pm

    Am Ortseingang sieht das ja noch nett aus, aber dann wirds doch ziemlich ruinös. Wer ist denn der bärtige Langläufer auf dem Schild? Muss man den kennen?

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    • Januar 13, 2014 11:41 pm

      Ach was Schild, das Kirchendingens(?) mit Grablicht meine ich.

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      • Januar 14, 2014 1:00 pm

        Ich weiß, was Du meinst. Hing im Wald an so einem Unterstand. Neben einem geschlossenen Ausflugslokal, einem schon lange geschlossenen Ausflugslokal. Wir wissen nicht, was das bedeuten sollte. Ein Jux, ein Gedenken… Und kennen tun wir den Typen auch nicht.
        Eigentlich sah Abertamy nicht so schlecht aus, wie es auf den Fotos den Anschein hat. Nur neue Einfamilienhäuser sind ja weniger spannend. Und die alten standen am Ortsrand bzw außerhalb. Das scheinen riesige Hotels, Sanatorien oder so gewesen zu sein. Wir haben uns da auch lange Gedanken gemacht. Aber wahrscheinlich ist die Sanierung so großer Komplexe zu teuer und da direkt an der Straße gelegen sicher nicht so einfach, dann auch zu vermieten. Im Ort standen freilich auch ein paar Ruinen. Das waren aber auch meistens größere Häuser.

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  2. Januar 14, 2014 6:56 am

    Na dann erstmal herzlichen Glühstrumpf, da hast Du ja endlich Deinen Winter gehabt :p
    Nun ja, gerade einladend sehen die Gebäude ja nicht wirklich aus und auch technisch scheint alles etwas in der Zeit stehen geblieben zu sein. Da es allem Anschein zum Trotz ja doch ein lustiges Wochenende war, scheint es sich ja gelohnt zu haben…

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  3. Januar 14, 2014 9:48 am

    Die Häuser sehen arg ungenutzt aus.

    Aber die Werbezeichnung für den P50 ist amüsant: man könnte meinen, das wäre ein richtig( groß)es Auto…

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    • Januar 14, 2014 1:03 pm

      Nuja, es passten 4 Leute rein. Die Franzosen verkaufen auch ein Auto für 4 Personen, die Briten auch, und beide scheinen recht erfolgreich zu sein, zumindest sieht man sie hier recht häufig auf den Straßen. Und das britische Model hat noch weniger Kofferraum als der Trabbi. Das französische ist hinsichtlich Platz natürlich unschlagbar, geradezu ein kleines/großes Raumwunder

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      • Januar 16, 2014 7:36 am

        Damals war man mit einer Ente (2CV) zufrieden, oder einem Renault 4L. In Frankreich waren größere Autos in den 50ern den Notablen vorbehalten: der Staatsanwalt fuhr Peugeot, der Arzt vielleicht gar eine DS (meist aber ID, die Sparausführung). Der Normalbürger eben ein Kleinauto oder Moped. Nur in Westdeutschland fing die Autowelt beim Käfer an, was darunter war, war Kleinwagen.
        Die Viersitzer von heute sind als Zweitauto und Stadtauto gedacht; die von vor einem halben Jahrhundert dagegen wurden auch quer durch Europa gescheucht. Wenn sich keine Grenzer querstellten.

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