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Man kann Silvester auch zwei Mal feiern

Januar 4, 2014

Wenn also 10 von 12 Leuten unter der Mühsal der Vortage leiden und man trotz des hohen Alters die Nacht ins Neue Jahr einigermaßen anständig überleben will, wenn es aber nun der letzte Tag des Jahres ist, dann empfiehlt es sich, aufs Wandern und Radeln zu verzichten. Wir nehmen den Kahn.

Da Leipe ein echtes Spreewalddorf ist, hat jeder Hof eine Anlegestelle, eigentlich ist die Anlegestelle des Hofes sogar dessen Vorderseite und Eingang (die Straße führt sozusagen an der Rückseite lang) und das hat den unglaublichen Vorteil, dass wir unsere geschundenen Knochen nicht zu irgendeinem Hafen schleppen müssen, nein, das Boot kommt zu uns. Und weil wir echte Freunde sind, dürfen die 3 nachgereisten Freunde auch mit in den Kahn. Und die, die es in den Wirren der Wende oder davor oder danach nach Bayern verschlagen hat und die sich zufällig gerade auch in den Spreewald verirrt haben, die nehmen wir auch noch mit.

Der Kahnfahrer erzählt recht viel. Da ich aber ganz vorne sitze, kriege ich nicht all zu viel mit. Auch nicht vom Glühwein. Ich habe mir den Platz ganz vorn aber bewusst rausgesucht, wegen der Fotografiererei. Denn hier im Oberspreewald, auf so nem Fließ oder Kanal entschleunigt durch die Gegend gestakst zu werden, ist wirklich lohnend und im Winter sogar ganz mückenfrei. Wenn jetzt noch die Sonne raus käme. Dann nämlich leuchtet alles so golden und rötlich. Das liegt wohl am vielen Schilf, den Weiden und Eschen.

Es ist allerdings wirklich echt saukalt. Da kann ich mich in meine Decke einmummeln und mit dem Nachbarn kuscheln, so viel ich will. So ist es eigentlich gar keine schlechte Idee, am Froschkönig anzulegen. Das ist die Kneipe, die nur spontan offen hat. Hier gibt es tagsüber Gegrilltes, Glühwein, Sekt, Tee und Winterkuchen. Und da es auch eine genügend große Anlegestelle gibt, sind immer genug Gäste da. Das ist sozusagen das Besucherzentrum des Dorfes. Da kann man sich danach noch gut ein bisschen durch den Spreewald staksen lassen.

At home wollte ich eigentlich noch Mal los fotografieren. Aber Sie ahnen gar nicht, wie anstrengend so eine Kahnfahrt ist (zumal zwar nur wenig Glühwein, aber genug Notfallmedikamente bei mir vorn im Kahn angekommen sind). Und schließlich galt es auch, Silvester zu feiern. Da schien es angebracht, am Nachmittag etwas zu ruhen.

Die Kahnfotos. Und eins von der Party. Anklicken= groß gucken

Nach so einer Party mit Freunden tut frische Luft ja Wunder. Deshalb fuhr ich am Neujahrstag nicht im Auto zum Brunch an das Haus am See, sondern mit dem Fahrrad. Aber erst nachdem mir ein Eingeborener versichert hatte, dass es tatsächlich nur eine gemütliche Radstunde entfernt sei.

Und weil mir nach dem guten Essen und der langen Nacht die Couch zu verlockend schien und ich sicher nicht wieder hoch gekommen wäre, vermied ich jeglichen Kontakt mit der Versuchung und fuhr gar nicht erst zurück ins Dorf. Stattdessen nutzten ein Kumpel und ich die kulturelle Pause, um uns Hagens Insel anzusehen. Und während die Freunde Räder und Autos abstellten und 5 km zu Brunos liefen, gaben wir uns der Verkostung einheimischen Glühweins hin und lernten von einem Bootsmann jede Menge über den Spreewald, die Absenkung der Wasserspiegel in den Fließen und Kanälen, Verlandungen, EU-Richtlinien, wie diese sich auf die Landschaft auswirken, Dung, der jetzt Sondermüll ist, den Kampf der Gemeinden und die ausbleibende Hilfe vom Bund oder sonst wem.

Trotz des Besuches auf der Insel waren wir die ersten bei Brunos. Also von den Kumpels. Denn sonstige Gäste waren schon jede Menge da. Und wie es schien, alle mit dem Auto. Die Kneipe war, es war nachmittags Halb Fünf, schon beängstigend voll. Also kletterten wir erst Mal die Treppen hinauf, wo der Kumpel eines Kumpels schon mit ein paar Freunden musizierte.

Meine Fresse waren die gut. Zwar sahen manche aus, als würden sie gleich und sofort tot umfallen, aber aufgespielt haben die! Dazu ein Sänger mit 12 Stimmbändern. Irre! Das beste war wohl, dass alle Musiker eigentlich kein Publikum brauchten. Die hatten Spaß an sich selbst, ihrer Musik und dem Zusammenspiel. Auch als später noch jüngere dazu kamen. Musiker, meine ich. Das Publikum selbst war eine merkwürdige Mischung aus der zu erwartenden Dorfjugend (10%) und ziemlich vielen älteren Herrschaften, die sich wohl aus Einheimischen, Berlin-Aussteigern, Künstlern oder Möchtegern-Künstlern und Leuten, die ihr verdientes Geld hier in ein Häuschen investiert hatten, zusammen setzten. Und wir natürlich.

Ich war auch lange nicht mehr in einem Club, in dem so dem Alkohol zugesprochen wurde. Es war unglaublich. Und ich kann das beurteilen, denn wir halfen einigen Herren bei der Suche ihrer Jacken. Dafür drückte uns der eine oder andere dann auch gern sein Portemonnaie in die Hand, auf das wir auf seine Kosten einen trinken würden.

Woran es den Anwesenden mangelte, war die Lust am Tanzen. Also legten wir los. (Das war letztlich auch eine Art Selbstschutz, denn wer tanzt, kann nicht so richtig trinken) Und siehe da, das Publikum ließ sich animieren.

Leider mussten ein Kumpel und ich mit dem Fahrrad zurück in die Fewo fahren, während die anderen sich ein Taxi rufen durften. Aber wir meisterten die Aufgabe trotz der Bedenken einiger Eingeborener ganz hervorragend und ohne in ein Fließ oder einen Kanal zu fallen.

Wenn das kein verheißungsvoller Start ins neue Jahr war!

Und zum Reinschnuppern… (allerdings ohne besagtem Sänger)

8 Kommentare leave one →
  1. Januar 4, 2014 9:14 pm

    Das klingt nach einem wunderbaren Rutsch ins neue Jahr.

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  2. Januar 5, 2014 12:48 am

    So ein toller Silvester .:-) und ganz wunderbare Spreewald-Fotos, was mir beweist, das es dort mitunter auch im Winter sehr interessante Fotos geben kann. Großer Vorteil nicht so viel Kähne und Leute unterwegs und so konnte echt geniale Landschaftsfotos entstehen.
    Sehr schöne Start in das neue Jahr… alles Gute weiterhin.

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  3. Januar 5, 2014 9:20 am

    Na das nenne ich doch einen gelungenen Abschied vom Alten und fast noch besseren Start in das Neue 🙂
    Eine schöne Serie ist dabei auch noch entstanden 🙂

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  4. Januar 5, 2014 3:56 pm

    Grandiose Fotos, fantastische Landschaft. Ich liebe solche Wasserstraßen, man kommt darauf in die wildesten Ecken und für so schicke Bilder kann man dann auch mal etwas frieren.

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  5. Januar 5, 2014 8:44 pm

    Ha! Jetzt fällt mir auch wieder ein, an was mich das erinnert hat. Giethoorn in Holland, da konnte man auch schick Bötchen fahren. Spreewald ist aber wohl ne ganze Ecke größer.

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    • Januar 6, 2014 11:31 pm

      Ich habe mir grad Fotos angesehen. Sieht wirklich so ähnlich aus. Nur, wie Du schon sagst, scheint sich das da auf eine Gemeinde zu begrenzen. Und ein bisschen weit weg für einen Silvesterausflug 😀 😀 😀 Im Sommer ist es da aber sicher genauso voll wie vermutlich im Spreewald. Ich tät ja gern noch mal hin, wenn wärmer ist, müsste das aber noch vor Ostern erledigen. Ab Ostern wirds zu voll.

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  6. Januar 7, 2014 9:54 pm

    Die Fotos sind schlicht und ergreifend großartig – und verlocken ungemein dazu, den Spreewald zu besuchen. 😉

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    • Januar 8, 2014 8:30 pm

      Ja, danke. Und so ein Besuch lohnt sich ganz sicher. Allerdings soll es im Sommer da von Mücken wimmeln. Und von Touristen.

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