Der pure Luxus (23.07.2013)
Lorraine ist Künstlerin, Norm Moderator einer morningshow beim lokalen Radiosender.
Als der Bus in Rolla eintrifft, erwarten sie uns schon.
Sie haben unseren Besuch fast stabsplanmäßig vorbereitet. Nachdem ich mich von Gary verabschiedet habe, werden wir ins Auto verfrachtet. Die Cousine hinten neben Norm, ich vorn neben Lorraine. So können wir uns besser unterhalten, meint sie.
Und dann legen beide los. Rolla, Sehenswürdigkeiten, hier ist die Uni, dort arbeitet Norm… Äh, braucht Ihr noch was? Wo wir wohnen, gibt es nichts. Sollen wir noch in eine Mall fahren?
Ja, äh, wir müssen ganz dringend Fressalien kaufen.
Ach Essen! Das braucht Ihr nicht! Wir haben alles eingekauft. Auch Wein. Alles da!
Kurze Atempause.
Oder ist jemand von Euch Vegetarier?
Wir verneinen heftig.
Gut.
Und weiter geht’s.
Immerhin, irgendwann dazwischen können wir unseren neu angewandten erweiterten Wortschatz anbringen, als sie uns fragen, wie es uns geht.
Unisono brüllen die Cousine und ich: Sunny and Seventy!
Unsere Gastgeber stutzen kurz. Dann macht sich ein breites Grinsen auf beiden Gesichtern breit. (Ich möchte anmerken, dass ich mir diese Redensart nur merken kann, weil David uns in Amarillo eine ziemlich einfache Formel, flugs Fahrenheit in Celsius umzurechnen, beigebracht hat. Diese simple Formel wiederum kann ich mir nur merken, weil Gary mich diese Floskel gelehrt hat. Das sind also sozusagen zwei Eselsbrücken, die sich gegenseitig bedingen)
Norm und Lorraine reden gleichzeitig. Leider über verschiedene Dinge. Unsere Köpfe fliegen hin und her. Wir bestätigen oder verneinen Fragen, schauen in angegebene Richtungen, versuchen zu erkennen, was uns beschrieben wird, entdecken selber, äußern uns hie und da mal über ein schönes Haus. Vor allem als wir die Stadt verlassen, sehen die Häuser alle irgendwie wie Südstaatenvillen aus. Sind wir in den Südstaaten? wundere ich mich. Vielleicht frage ich auch. Ich habe die Antwort vergessen.
Wir fahren jetzt durch ländliches Gebiet. Wald. Sie werden uns in ihrem Cottage unterbringen. Das haben sie für Norm‘s Mutter gekauft, die Lorraine bis zu ihrem Tod gepflegt hat.
So viele Informationen. So viele Geschichten. Ich gebe zu, die Hälfte habe ich bereits vergessen, als wir auf einen Waldweg einbiegen und vor dem Haus der beiden stehen. Ich will aussteigen, aber das ist offensichtlich nicht der Plan. Im Wagen sitzend starren wir auf das Haus, erspähen Sky, die Bodercolliemischung und dann fahren wir wieder runter vom Grundstück.
Das ist jetzt seltsam.
Irgendwo geht’s wieder in den Wald, vorbei an einem dunklen Haus.
Der Nachbar, ein Messie, erklärt Lorraine, aber harmlos.
Wir halten mitten im Wald vor dem Cottage. Ah, jetzt dürfen wir aussteigen.
Führung durchs Haus.
Wir können es nicht fassen. Zwei Schlafzimmer, riesige Wohnstube, noch riesigere Küche, zwei Terrassen (eigentlich drei), Bad natürlich und der Keller.
Blick in den Kühlschrank. Der ist wirklich voll. Sogar Obst und Gemüse ist da. Und Schokolade! Norm öffnet eine Flasche Wein, während Lorraine uns die Küchengeräte erklärt und das sie morgen sehr zeitig leider nach Saint Louis muss eine Ausstellung vorbereiten. Aber Norm kommt gegen Mittag nach Hause und kocht für uns. Und kümmert sich um uns.
Anstoßen.
Was wollt Ihr morgen tun?
Äh.
Ich kann Euch mit nach Rolla nehmen und Norm liest Euch dann dort auf und nimmt Euch wieder mit.
Äh, nein, wir wollten lieber hier ein bisschen wandern.
Oh, das ist gut. Ich liebe Euch. Pat weiß Bescheid. Pat wohnt da. Beschreibung. Sie kann Euch schöne Trails empfehlen. Pat ist die Nachbarin und wird uns am Donnerstag wieder zur Bus Station nach Rolla bringen.
Lorraine drückt uns als Willkommensgeschenk noch je zwei Kunstpostkarten in die Hand. Mit Motiven von ihr.
Zum Glück mag die Cousine diese Art Malerei und vergleicht sie sofort mit Monet (glaube ich). Lorraine strahlt sie an.
Norm strahlt Lorraine an. Er freut sich über unsere Ah’s und Oh’s bezüglich des Hauses und unsere Beteuerungen, wie schön es hier ist und dass das ja hier wohl der wahre Luxus sei.
Der Wein ist alle.
Die beiden würden jetzt gern gehen, weil sie morgen zeitig raus müssten. Wir sollen entschuldigen. Im Kühlschrank steht ein Hühnchen, dass Lorraine uns zubereitet hat, das müsse nur noch in die Mikrowelle.
Ach ja, das Haupthaus, da müsst Ihr da lang.
Ich versuche angestrengt, etwas zu erkennen.
Dann sind sie weg.
Lassen uns zurück im absolut finsteren Wald in einem zugegebenermaßen äußerst luxuriösen Gästehaus.
Trotzdem, mäkle ich erschöpft rum, die haben das mit Couchsurfing irgendwie nicht ganz begriffen.
Was soll’s, muntert mich die Cousine auf, nehmen wir‘s wie’s ist und genießen den Luxus.
Dann machen wir uns über das Hühnchen her, glotzen auf der Terrasse zu den Sternen hoch, staunen über die Lautstärke der quakenden Frösche, haben ein bisschen Angst, ob wir bei dem Krawall schlafen können (können wir), untersuchen noch mal das Haus, duschen ausgiebig und gründlich, naschen Schokolade und lassen dann das eine Schlafzimmer unberührt. Wir sind einfach so an Kingsize-Betten gewöhnt, da würden wir uns glatt fürchten, jede im eigenen Bett in einem anderen Raum.
Wow! Da seid ihr aber feudal untergekommen! Ist das Fahrrad ein Kunstwerk, oder ein „echtes“?
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Kunst. Ich glaube, ich sollte die Bilder noch beschriften
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Hihi, Couchsurfing der gehobenen Art. Gleich ein ganzes Gästehaus drumherum. Nobel, nobel.
(Danke, dass Du Dich heute durch meine Westcostberichte ge“fressen“ hast und die diversen Kommentare dazu.)
Liebe Grüße von Tonari, die am Sa/So in LE Umzugshelferin ist.
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Email an Dich ist unterwegs.
Und ja, beim couchsurfen erlebt man von Luxus abwärts alle. In Newcastle hatten wir mal eigene Bäder, die Kinder jeder einen Laptop im Zimmer…
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Ach, und die Wetscoastberichte waren spannend. Da musste ich nicht „fressen“ 😀
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Also nach der Übernachtung bei David hätte ich mich über das Cottage nicht beschwert *g*
jetzt geh ich mal in Rolla gucken mit Streetview 😀
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Da wirst Du wahrscheinlich mehr von der Stadt sehen als wir 😉
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Das war auch nicht so spannend, Rolla war sicher auch nicht der Grund für den Stop. Ich bin schon gespannt, der Lake Ozark sieht von oben jedenfalls krass aus, der ist scheinbar komplett bebaut an den Ufern, aber ziemlich weit weg von Rolla. Und wenn ich sehe was noch so alles in der „Nähe“ ist, St.Louis, Nashville, Memphis, da wird mir ganz anders.
Allein in der Ecke könnte ich Wochen verbringen..
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Vielleicht solltest du ausser der Kamera immer ein kleines Notizbuch zur Hand haben. Man vergisst ja so schnell, deshalb habe ich immer eines im Rucksack oder in der Kameratasche.
Der Bericht ist wie gewohnt atmosphärisch dicht. Klasse und vielen Dank!
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Nuja, ich habe doch immer mein Reisetagebuch mit. Und jeden Abend fleißig geschrieben. Oder im Bus. Oder in den Bus Stations. Aber Lorraine und Norm, die haben einfach zu viel gleichzeitig geredet. Und mitschreiben während des Gesprächs? Nee. Außerdem bei den beiden, da hätte ich ein Tonband gebraucht
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Verstehe 🙂
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Deine Reiseberichte lesen sich unglaublich kurzweilig und gut. Vielleicht liegt es daran, dass du ganz viel Persönliches einfließen lässt. Klasse, Inch!
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Danke, liebe Gudrun.
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Couchsurfing habe ich mir eigentlich ziemlich spartanisch vorgestellt! Ein Cottage für sich ist schon was Feines! GLG
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Nuja, es ist sehr unterschiedlich. Ich hatte von zu viert in einem Zimmer und auf Isomatte bis eben zu diesem Cottage schon alles. Bei mir haben Gäste ja jetzt auch ein eigenes Zimmer. Früher lagen die tatsächlich auf der Couch im Wohnzimmer.
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Liebe Inch,
wieder köstlich zu lesen! (Am allerliebsten mag ich: „zum Glück mag die Cousine diese Art von Malerei und vergleicht sie mit Monet – glaub ich.“)
Ach, was hattet ihr nur für herrliche Begegnungen! Das macht so eine Reiselust!
Lieben Gruß von Rotkapi
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Das ist das Gute am zu zweit reisen. Wissen ergänzt sich. Manchmal 😉
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😉
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