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Im Schweinetal (5.09.2012)

September 29, 2012

Wenn man abends auf dem Balkon sitzt, könnte man die Sonne hinter den Bergen untergehen sehen. Weil die niedrigen Holzhäuser aber zweigeschossigen aus Stein weichen mussten, kann man die Schönheit nur erahnen. Genau hinter einem orangefarbenen Haus findet das Spektakel statt. Links vom Dach sieht man noch einen Zipfel des blutigen Rots, das über den Bergkuppen hängt.

Gestern am späten Nachmittag sind wir einen Feldweg entlang genau in diese Richtung gelaufen bis der Pfad sich im Nirgendwo verlor. Bäuerinnen bei der Kartoffelernte hatten uns noch auf das Ende hingewiesen und kopfschüttelnd abgewinkt, als wir unbeirrt unserem diffusen Ziel folgten.

Die Nacht was unruhig und laut. Durch die geöffneten Fenster fand statt der erhofften Kühle nur der Lärm der vorbeirasenden Autos den Weg ins Zimmer.

Nach einem opulenten Frühstück sind wir nach Valea Stejarului gewandert.

Kurz hinter der großen Straßenkreuzung wich der Asphalt einem staubigen Kiesweg und entlang des Flusses ging es zunächst durch angenehm schattigen Laubwald hinein ins Schweinetal. Dann wechselten sich einzeln oder in kleinen Grüppchen stehende Bauernhäuser mit Obstwiesen und Feldern ab. Interessiert erkunden wir die Anbauweise der hiesigen Bauern. Maisfelder, zwischen denen Bohnen, Rüben und Kürbisse wachsen. Oder Kohl. Hier sind keine chemischen Keulen nötig, um dem Boden nach langen Monokulturen seine Fruchtbarkeit wiederzugeben oder Schädlinge fern zu halten. Natürlich kann bei dieser Art der Bewirtschaftung nur mit der Hand geerntet werden.  Und auch die Viehställe sind intelligent und praktisch gebaut, so wie ich es von dem alten sächsischen Bauernhof kenne, auf dem ich aufgewachsen bin. Eigentlich ist die Maramures ein riesiges Bioland und die Leute könnten ihre Erzeugnisse in jedem Bioladen Deutschlands guten Gewissens verkaufen.

Die Hitze ist wieder unerträglich und der Staub dringt in alle Poren. Obwohl nur ein Kiesweg, ist das eine öffentliche Straße, die das Iza-Tal mit dem Viseu-Tal verbindet. Zwar ist nicht soviel Verkehr wie auf den Hauptstraßen, aber dieser hüllt uns jedesmal in eine Staubwolke.

Valea Stejarului soll ein Ort der Weber und Holzarbeiter sein. Wie sehen weder die einen, noch die anderen. Und die Kirche, sie ahnen es schon, ist geschlossen. Der noch lebende ortsansässige Pfarrer hat sich und seiner Frau  abseits vom Friedhof an der Frontseite der Kirche schon eine Grabstätte errichten lassen, die ehre an ein Monument erinnert und uns unsympathisch und  aufdringlich aufstößt.

Als wir am Ende des Dorfes im Laden einkehren, liegt auf dem Tresen eine Fiedel und im Saal gegenüber wird geputzt und geschmückt. Hier ist wohl bald ein Fest. Vielleicht schon heute? Schade, dass wir die Sprache nicht sprechen und der Verkäufer zu schüchtern ist, sich auf unser Hand-und Fußspiel einzulassen.

Übrigens wird im Tal gerade die Straße gebaut. Im Dezember 2012 soll sie fertig sein. Straßenbau bedeutet aber nicht, dass asphaltiert wird, sondern dass ein Abflussgraben aus Beton gegossen wird. Natürlich in Handarbeit.

Zurück in Vadu Izei essen wir an der Hauptstraße nach Baia Mare ein Eis und sehen noch mal den Teppichwäscherinnen zu. Heute arbeiten hier zwei junge Mädchen, denen es sichtlich unangenehm ist, beobachtet zu werden.  Also laufen wir zurück in unsere Pension.

Während wir ausruhen, kommen neue Gäste. Rumänische Eltern, deren Tochter mit Deutschem Mann. Wir haben gerade beide Russland to go gelesen, weswegen wir den jungen Ehemann umgehend in „JungerMann“ umtaufen. Das ist ein bißchen gemein von uns, zumal JungerMann sicher froh ist, Deutsche zu treffen, versteht er doch kein Wort, wenn sich seine Frau mit den Eltern unterhält. Aber er ist einfach zu betont intellektuell und erinnert in seiner Hilflosigkeit zu sehr an sein literarisches Vorbild.

Nach dem Abendbrot versuchen wir einen anderen Feldweg, der sich aber schon nach 100m in nichts auflöst. Also laufen wir die Straße Richtung Barsana und versuchen die in das Gold der Abendsonne getauchten Felder und Wiesen zu genießen. Aber in Rumänien kann man auf asphaltierten Hauptstraßen gar nichts genießen.

Die Wirtin hat uns Trauben gebracht, die fleischigen, kleinen blauen, aus denen der Wein gemacht wird. Dir Fuhrwerke kehren von den Feldern oder vom Heumachen heim. Auf den Bänken vor den Toren sitzen die, die ihr Tagwerk erledigt haben. Die Sonne ist hinter den Bergen verschwunden. Autos rasen vorbei…

16 Kommentare leave one →
  1. September 29, 2012 8:57 pm

    Kilometerweise Wäsche auf der Leine – erinnert mich an eine Uralt-Werbung vom Weißen Riesen. 😉 Die Schnitzerei auf dem dritten Foto, ist das irgendwie die rumänische Variation von „Warnung vor dem bissigen Hund“? 😉 Das Grabmal des Pfarrers und seiner Ollen ist ja ekelerregend und unanständig protzig. Mir turnen jetzt grade wüste Gedanken durch den Schädel, wie der „Gute“ das wohl bezahlt haben mag…

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    • September 30, 2012 12:34 pm

      Weißer Riese wird zum Glück nicht verwendet. Sonst könnte man im Fluß wohl nicht mehr baden 😀 Und die Schnitzerei, ja, das ist die Warnung vor dem Hund. Fanden wir auch originell, weswegen sie es wert war zu fotografieren. Und der Pfarrer… wir sind noch an seinem Haus vorbei marschiert… ich möchte mir auch lieber keine Gedanken mehr über den Typen machen

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  2. September 30, 2012 2:08 am

    Sieht irgendwie nach „heiler Welt“ aus…. oder ist dieser Eindruck vordergründig?

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    • September 30, 2012 12:37 pm

      Naja, was man unter heil versteht. Intakte Großfamilien, in denen sich jeder um jeden kümmert. Die Leute sind das, was wir arm nennen würden, können sich aber mit ihren Bauernhöfen alle selbst versorgen. Und ihr Tag besteht natürlich aus Arbeit. Die Uhren ticken da sehr viel langsamer, so dass niemand am Herzinfarkt sterben muss. Allerdings, meine Freundin ist Physiotherapeutin, sieht man den Menschen die teilweise schlechte medizinische Versorgung vor allem nach schweren körperlichen Erkrankungen an. Und doch. Ja. Ich würde das auch eine heile Welt nennen

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  3. September 30, 2012 11:08 am

    Inch, ich glaube, in diesem Fall darf ich mich auch mal gerne wiederholen:
    Deine Fotos sind wirklich sehr, sehr schön.
    Du hast ein gutes Auge für Motive.
    Ich will mir für unseren Tripp in gut einer Woche noch evtl. eine neue Kamera zulegen.
    Welche nutzt du?

    Wenn du es hier nicht nennen magst, meine email: dart-info@t-online.de

    LG,
    Menachem

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    • September 30, 2012 12:50 pm

      Also, im Urlaub hatte ich die Coolpix P90 von Nikon mit. Die habe ich mir extra für den Urlaub gekauft, weil sie einen schönen großen Zoom (24fach optisch bzw 4,6-110,4mm). Allerdings hat sie auch Schwächen. Bei schlechten Lichtverhältnissen rauscht sie, dann kann man zwar manuelle einstellen (man kann auch zwei manuell eingestellte Programme speichern), aber so ganz kriegt man das Rauschen nicht weg. „Bewegte“ Bilder sind in der Dunkelheit kaum möglich. Standbilder dagegen werden sehr schön, so es einem gelingt, mittels Einstellungen das Rauschen zu unterbinden.
      Ich habe im Urlaub auch immer eine Taschenknipse mit. In diesem war es die Olympus D700. Die kommt zum Einsatz, wenn die große im Rucksack steckt oder ich heimlich im Supermarkt fotografiere. Letztes Jahr in Schottland hatte ich sattdessen die Kodak Z730, die als Taschenknipse eigentlich zu groß ist, aber dafür die qualitativ wesentlich besseren Bilder macht.
      Und dann fotografiere ich manchmal mit der Spiegelreflex, das ist eine einfache Nikon D40. Aber die nehme ich fast nur zu Sportveranstaltungen, und da habe ich die Coolpix immer dabei. Weil, an den SLR stört mich halt, dass ich durch den ständigen Objektivwechsel nicht flexibel bzw schnell genug bin.
      Also hauptsächlich bin ich mit der Coolpix unterwegs (auch hier in der Stadt) und mit der kleinen Olympus

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  4. September 30, 2012 7:20 pm

    Inch, vielen, vielen Dank. Die Coolpix P90 macht einen guten Eindruck. Das könnte sie werden, oder die P100 als Nachfolger. Hat im Internet auch eine gute Kritik.

    Meine aller, allererste Digikamera war eine Nikon, mit 1 MB, um das Jahr 2000. Noch heute habe ich sie und die Bilder sind immer noch klasse, was ich der guten Software von Nikon zurechne. Natürlich sind seit dem auch viele andere Digi Kamera`s im Einsatz gewesen, aber sie kamen nie richtig daran. Insofern – Nikon, ja, habe ich nur gute Erfahrungen mit.

    Nochmals, lieben Dank. Das Ergebnis wirst du ja dann in meinem blog sehen:)

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  5. September 30, 2012 10:25 pm

    Wie funktioniert denn das mit der (Trink-)Wasserreinigung?
    PS: auch diesmal wieder schöne Fotos, die Lust zum verreisen machen 😉

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    • Oktober 1, 2012 7:48 am

      Durch SODIS (Solar Water Disinfection) die einfache Methode, mit Erregern verschmutztes Wasser durch Sonnenlicht in Trinkwasser umzuwandeln

      „Seit 2001 wird SODIS in über 30 Entwicklungsländern eingesetzt, weiter getestet und hat mittlerweile über drei Millionen Menschen erreicht. Die Einfachheit dieser genialen Methode lässt sie unglaubwürdig erscheinen, ihre Wirksamkeit ist aber aufgrund vieler wissenschaftlicher Laboruntersuchungen erwiesen. Mit Durchfallerregern verschmutztes Wasser wird in lichtdurchlässige PET(Polyethylenterephthalat)-Flaschen gefüllt, es muss darauf geachtet werden, dass das Wasser keine Trübung aufweist. Die Flasche wird für sechs Stunden waagerecht ins direkte Sonnenlicht gelegt. Bei bewölktem Himmel dauert es zwei Tage. Durch die UV-A-Strahlung und die Hitze der Sonne werden die krankmachenden Keime in der Flasche zuverlässig abgetötet.“

      Bergsteiger nutzen diese Methode auch schon lange

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      • Oktober 1, 2012 9:10 am

        herzlichen Dank für die gute Erklärung 🙂

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      • Oktober 1, 2012 9:25 am

        Das wusste ich auch nicht und danke dir für die Erklärung. Ich werde mir das merken.

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      • Oktober 1, 2012 9:36 am

        Ach, jetzt verstehe ich das endlich: Mein Liebster hat neulich dem Kind irgendwas in der Richtung erklärt (Wasser in Plastikflasche in die Sonne gelegt macht Bakterien kaputt) und ich verstand nur Bahnhof. Danke, nun bin ich klüger!

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  6. Oktober 1, 2012 9:28 am

    …und die Leute könnten ihre Erzeugnisse in jedem Bioladen Deutschlands guten Gewissens verkaufen. Schade, dass das nicht so sein kann. Es wäre vielen geholfen.
    Deine Berichte habe ich mit Interesse gelesen, liebe Inch. Ich war schon mal in Rumänien und jetzt steht das Land wieder ganz oben in der Wunschliste. Ich werde da nochmal hin müssen.

    Liebe Grüße von der Gudrun

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    • Oktober 1, 2012 7:48 pm

      Ich würde am liebsten sofort wieder hinfahren. Aber ich muss leider nächstes Jahr nach Russland…

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  7. Oktober 1, 2012 10:53 pm

    Und direkt neben der Mistluke und dem Plumpsklo ist dann der Brunnen? Dann verstehe ich die Sache mit den Flaschen *g*
    „Ich muss leider nach Russland“ ist auch lustig, ich freu mich schon auf Deinen Bericht nächstes Jahr 🙂
    Und das Monument find ich auch sehr peinlich, aber irgendwohin muss man ja als Kirchenfürst mit seinem Geld, wenn man es zu Lebzeiten schon nicht verprassen kann.

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    • Oktober 1, 2012 10:55 pm

      Was mir noch einfällt zur Kamera, für die SLR wäre ein Reisezoom ideal, es gibt da ein sehr schönes Nikkor 18-200, das dürfte bei solchen Reisen seinen Zweck erfüllen.

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