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Badewannen am Völki

Juli 8, 2012

Das Badewannenrennen, oder Regates de Baquet, wie es richtig heißt, ist eines diese seriösen Veranstaltungen, die in der nato*  erfunden und von ihr ausgerichtet werden. Heute zum 20. Mal.

Und das, obwohl ein unterbeschäftigter CDU-Politiker das Sommerloch zu füllen versuchte, indem er sich für ein Verbot aussprach. Schließlich findet das wässrige Vergnügen auf dem See vorm Völkerschlachtdenkmal statt. Und das sei ein, hm, ich hab vergessen, was für ein Ort. Jedenfalls nicht geeignet für Volksbelustigungen. Ach ja, ein Ort der Stille, des Gedenkens. Und der See, der, so lernte ich in der Diskussion, „Der See der Tränen“ heißt, sei nun gar nicht dazu geeignet, ihn mit Badewannen zu durchkreuzen.

Was mich erschreckt hat, ist, dass es tatsächlich Leser der LVZ gab bzw. gibt, die diesen Vorschlag ernsthaft unterstützen, ja sogar zum Boykott aufriefen. Ich nehme an, nicht nur besagter CDU-Politiker, sondern auch seine Anhänger, sind kürzlich Zugezogene. Denn der Leipziger an sich hat ein mindestens ambivalentes Verhältnis zu diesem Wahrzeichen seiner Stadt. Natürlich ist er irgendwie stolz, dass eines der größten Denkmäler Europas ausgerechnet hier steht. Und auch, dass der Napoleon hier ordentlich eins auf die Mütze gekriegt hat. Obwohl wir Sachsen ja damals vor fast 200 Jahren auf der falschen Seite gestanden haben und damit mit eins auf die Mütze gekriegt haben. Aber das ist lange her, das kann man ein bisschen vergessen.

Erbaut wurde es 100 Jahre nach der Völkerschlacht, in wilhelminischer Zeit, und entsprechend trutzig und national kommt es daher.  Das liegt ein bisschen schwer im Magen. Auch, dass die Nazis dort gern Aufmärsche veranstalteten, ist vielen älteren Bürgern noch unangenehm in Erinnerung. Übrigens gaben die Nazis dem Wasserbecken vor dem Denkmal den Namen „See der Tränen“.

Ich hoffe, dem unterbeschäftigten, ein bisschen schlecht informierten  CDU-Politiker ist es im Nachhinein ein bisschen peinlich, dass er ausgerechnet auch von diesem Namen den besonderen Ort der Andacht herleiten wollte.

Wie dem auch sei. Die Diskussion im lokalen Blatt hat für ordentlich kostenlose Werbung gesorgt, alle Sponsoren und Mitveranstalter, wie der Förderverein des Völkerschlachtdenkmals selbst, haben sich zu Wort gemeldet, und so strömten Tausende in den Südosten der Stadt.

Nach dem Kurzstreckensprint der 20 Teams und traten je zwei Teams gegeneinander zur  Hindernisfahrt an. Da ging’s nicht nur um Schönheit in der Bewegung, nein! Es waren auch gewisse Intellektuelle Fähigkeiten gefragt beim Quiz und der Pantomime.  Leider regnete es dann ein bisschen. Zwar nur kurz, aber genug, dass einige Verzagte gingen. Die verpassten den Einlauf der Nationen, das Olympische Zeremoniell und – mein persönliches Highlight – die Regatta der Nationen. Da rannten die Fahnenträger um die Hälfte des Beckens, hüpften in ihre Boote, äh Badewannen, und paddelten mit ihrem Team einmal längs durch den See. Da wurde keine Zeit gemessen und kompliziert mit Bonuspunkten verrechnet. Da war der Erste Sieger. So was verstehe ich.

Der eigentliche Höhepunkt ist natürlich das Wannenstechen. Im K.O. System treten je zwei Teams gegeneinander an und versuchen sich gegenseitig vom Ponton zu stößeln.

Gucken Sie sich’s einfach an.


*soziokulturelles Zentrum in L.E.

13 Kommentare leave one →
  1. bitze permalink
    Juli 9, 2012 12:59 am

    Grossartiges Album, das richtig Spass macht anzugucken. Mir gefällt das Krokodilboot und in diesem Fall sogar die Nato. Das alles erinnert mich an eine Wette während eines Musikfestivalaufbaus (Rheinkultur), die in einem kleinem, aber schrägen Seifenkistenrennen endete.

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    • Juli 10, 2012 6:07 pm

      Ja, das Krostiboot fand ich auch am schönsten, obwohl ich Fatty Mc Dirty ein bisschen ins Herz geschlossen hatte, denn die kamen erst zu spät und dann nur schwer vom Fleck 😀

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  2. Juli 9, 2012 3:06 am

    tolle fotos mit ganz viel guter laune und spaß an der freude. ein schönes sommervergnügen!

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  3. Juli 9, 2012 2:28 pm

    Ich hatte gar nicht in Erinnerung, wie groß und v.a. tief dieser See ist! Ich sehe nur noch vor mir, wie ich mit meinen Klassenkameraden auf dieses Monument musste, es regnete und ich schreckliche Höhenangst hatte. Und langweilig war es auch. Aber da war ja auch kein Bootrennen 😉

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  4. Brigitte permalink
    Juli 9, 2012 7:55 pm

    Ich tu mich eh schwer mit diesen teutschen Mahnmälern. Wir waren jetzt am Niederwalddenkmal („Die Wacht am Rhein“) – auweia, teutonischer geht nicht mehr!
    Und mich hat das Völkerschlachtdenkmal eher deprimiert: so viele junge Männer einfach totgeschossen, weil sich irgendwelche gekrönten Großkopferten noch ein paar Territorien unter den Nagel reißen wollten. Was für ein Irrsinn. Am schlimmsten fand ich Verdun.
    Aber vielleicht hilft ja so ein harmloser Spass wie ein Badewannenrennen, ein etwas anderes Verhältnis zum „See der Tränen“ zu bekommen.

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  5. Juli 9, 2012 8:30 pm

    Das ist doch eine herrliche Gaudi, nach deinen bunten Fotos zu schließen! Wie kann man nur so borniert (und dumm) sein, so etwas verbieten zu wollen!

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  6. Juli 9, 2012 9:34 pm

    Tolle Bilder einer lustigen“Schlacht“! Die „Badewannen“ sind ja teilweise wirklich abenteuerlich.

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  7. Juli 9, 2012 10:44 pm

    sieht so aus, als wäre der Sommer jetzt auch bei euch eingekehrt. Schöne Bilder hast du gemacht…

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  8. Juli 9, 2012 10:58 pm

    Schwerter zu Pflugscharen! Völkerschlachtdenkmäler zu Freizeitparks! Ein Ort der Stille und des Gedenkens? Was für ein Klappspaten, ich hätte ihn als erstes gefragt, wann er denn das letzte Mal da war zum Gedenken. Angehörige der in diesen Schlachten Gefallenen wird er dort vermutlich nicht finden.
    Außerdem finde ich es gut, wenn so ein Ort durch anarchistischen Spaßkram für die Nazis „entweiht“ wird *g*

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  9. Juli 10, 2012 6:12 pm

    @ all
    Ihr habt es alle richtig erkannt. Das Völki ist auch ein bisschen peinlich. Zeigt man es Besuchern, ist deren Reaktion oft ungewiss. Meistens finden sie es zu teutonisch. Ein paar genießen aber auch den Ausblick von der obersten Plattform. Am wenigsten Probleme haben Besucher aus dem Südeuropäischen Raum mit dem Teil.
    Und das Denkmal, als Kriegerdenkmal und Mahnmal und Zeichen nationaler Einheit gebaut, soll ein bisschen modernisiert werden. In unseren Köpfen. Da passt das Badewannenrennen gut hin. Es gibt da ja auch Konzerte, Töpfermärkte, Theater.
    Nur politische Veranstaltungen, die sind seit ein paar Jahren verboten. Und das ist richtig so.

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