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Leipzig lacht

April 24, 2012

OK, nicht ganz Leipzig. Da werden sich, wie so oft, die Geister wohl scheiden. Aber wer ein bisschen Humor hat, egal ob er Graffiti nun für Vandalismus hält oder für Kunst, der sollte sich ein Grinsen nicht verkneifen können.

Ein bisschen klingt das alles auch nach Schildbürgern…

Da gibt es, in zentraler Lage, ein Haus. Das verfällt, zwischen lauter prächtig sanierten mehr oder weniger öffentlichen Gebäuden seit Jahren vor sich hin. Hier zum Beweis eine eher zufällige Aufnahme aus dem Jahr 2009.

Das 1926 fertig gestellte Ring-Messehaus galt als größtes innerstädtisches Messehaus der Welt.

Obwohl 1943 bei einem Bombenangriff schwer zerstört, wurde hier die erste Messe nach dem Krieg eröffnet. Zwei Jahre später war das Haus komplett saniert, in den 50er Jahren noch um einige Komplexe erweitert.

20000 (lt. Deutsches Architektur-Forum 38000) Quadratmeter Ausstellungfläche bot das Haus, das bis 1992 als Mode- Rauchwaren- und Textilmessehaus genutzt wurde.

Dann hatte die Stadt keine Verwendung mehr für das Haus, oder kein Geld für die Sanierung.

2010 war im Deutschen Architektur-Forum noch zu lesen, dass das mittlerweile 18 Jahre lang leer stehende Haus als faktisch nicht vermittelbar galt, bevor es 2009 dann doch einen neuen Besitzer fand und 2010 für den Kopfbau am Tröndlinring, um den es hier geht, einen Hotelbetreiber gefunden hatte. Im Herbst 2010 sollte die Sanierung beginnen, die Eröffnung war für das Frühjahr 2012 geplant.

Das Haus wurde verhüllt, ein bisschen wie bei Christo.

Dazu gibt es auch ein eher zufälliges Foto vom März 2012

Und das wars dann.

Fast zwei Jahre tat sich nichts. Scheinbar jedenfalls.

Dann erhielt der Eigentümer keine Genehmigung, das Haus länger hinter einem Baugerüst oder großflächiger Werbung zu verbergen.

Als die Bauplane fiel, kam ein Riesengraffito von immerhin 800qm zum Vorschein, das die gesamte Fassade des Ringmessehauses ziert. Das prangt dort wohl schon seit 2010, ebenso der Schriftzug SNOW über dem Graffito.

Eine  „neue Sehenswürdigkeit“ nannte der MDR das augenzwinkernd, während der Besitzer den Leipziger Bürgern diesen „peinlichen Anblick“ gern erspart hätte. Mit dem „peinlichen Ärgernis in bester  Lage“  ist natürlich das größte Graffito in Leipzig gemeint. Nicht etwa das vernachlässigte Haus. „Jetzt muss Leipzig leider auch damit leben, dass das schöne Haus so aussieht“, wird der Besitzer in der Bild zitiert und dürfte damit ziemliche Sprachlosigkeit auslösen.

Ja, Hallo? Gibt es immer noch Investoren, die glauben, die Leipziger könnten sich am Anblick verfallender, das Stadtbild prägender Häuser ergötzen? Vielleicht finden wir ja auch schön, zuzusehen, wie das Hotel „Astoria“, in ähnlich bester Lage liegend, leer steht und warten darauf, dass es endlich ähnlich desolat aussieht wie das Ring-Messehaus ohne Graffiti?

Rund 500 Sprüher soll es in Leipzig geben. Unter ihren Werken leide die Immobilienbranche. Touristen und Investoren würden abgeschreckt, heißt es.

Die Szene selbst sieht da natürlich anders. Und feiert sich, während die Polizei nach den Tätern sucht, vermutlich selbst.

Wir als Zuschauer müssen uns unsere eigene Meinung bilden.

Immerhin, ohne das großformatige Graffito wäre die Bauplane vielleicht unbeachtet gefallen. Nur hie und da hätte sich ein Passant am Anblick des Hauses gestört. Ganz sicher hätte sich die Presse nicht dafür interessiert.

So betrachten wir grinsend die Fassade im neunen Gewand und fragen uns, was nun aus dem Haus wird. Schließlich will niemand mit so einem Ärgernis leben. Mit dem Ärgernis Graffiti versteht sich, nicht mit dem Ärgernis leer stehender Häuser in bester Lage.

14 Kommentare leave one →
  1. BSR permalink
    April 24, 2012 8:20 am

    Naja, mal so gesehen – an mangelnder Leistungsbereitschaft mangelt es der sächsischen Jugend wohl nicht, da steckt ne Menge Arbeit drinne die besser hätte koordiniert werden können. Merkwürdig nur, dass der einen oder anderen zufälligen Polizeistreife der Farbgeruch nicht aufgefallen ist – lohnt sich doch mal hier und da aus dem Streifenwagen auszusteigen. So gesehen ein bombastisches Le(h)erstück in Leipzig.
    Positivdenk – wer pinseld zündelt nicht, jedenfalls nicht wärend der „Arbeitszeit“. 😉

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    • April 24, 2012 12:54 pm

      Leistungsbereitschaft UND Ausdauer! Schließlich mussten die Sprüher fast zwei Jahre warten, bis ihr Werk der Öffentlichkeit präsentiert wird 😉 Und das, wo man der heutigen Jugend doch gern vorwirft, auf schnellen Erfolg aus zu sein 😀

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  2. April 24, 2012 8:31 am

    Wenn schön restaurierte alte Gebäude angesprayt werden, finde ich das sehr unschön. Im Fall des Ring-Messehauses hat die Kreativität jedenfalls dazu geführt, dass das Gebäude im öffentlichen Gespräch ist. Das wiederum finde ich gut.

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  3. April 24, 2012 11:38 am

    Wenn man über zwei Jahre für einen ausgezeichneten Sichtschutz sorgt muss man sich nicht wundern, wenn andere das Angebot dankend annehmen. Scheinbar hat der Besitzer ja nicht daran gedacht mal etwas zu renovieren in dieser Zeit, also wozu überhaupt die Plane?

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  4. April 24, 2012 1:30 pm

    Gruselig ja auch, dass scheinbar niemand in den zwei Jahren unter die Plane geschaut hat, weder Eigentümer noch sonst wer. Etwas bunter hätte es gerne sein dürfen. Dieses Denkmal für zeitgenüssische Kunst. Ansonsten – eben weil es nicht saniert ist/wurde – eigentlich gar nicht so schlecht.

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  5. April 24, 2012 3:48 pm

    ja, echt schade, daß die sprüher nicht mehr farbe und fantasie verwendet haben!

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    • April 24, 2012 11:32 pm

      Also ich finde ja auch, das hätte man noch schöner gestalten können 😉 Aber wer weiß, vielleicht glaubten die Sprüher selbst nicht recht daran, dass sie in aller Ruhe und Sorgfalt hinter der Plane werkeln können

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  6. April 24, 2012 8:18 pm

    Ha! Ich finde das klasse! Jetzt ist das Haus wenigstens in aller Munde, vielleicht tut sich ja was. Hast du eine Ahnung, was das BCS heißen soll?

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  7. Gudrun permalink
    April 24, 2012 11:00 pm

    Tja, vielleicht ist das der Hinweis an die Stadt mehr Sorgfalt walten zu lassen, wenn sie Häuser versilbert. 😀

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  8. BSR permalink
    April 25, 2012 8:03 am

    Im Grunde genommen isses jetzt n´ Kulturdenkmal und den Schriftzug sollte man in der künftigen Gestaltung übernehmen – „RCS – RingCenterSachsen“. Frischen Wind kann man immer mitnehmen und den Synergieeffekt einer Bürgerbeteiligung einbinden. „Sachsen bleibt helle“ war ja mal n´ Slogan, oder? 😉

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  9. April 25, 2012 11:30 pm

    Das hat ja sogar noch Stil – und den Naturstein-Portikus haben zwar Tagger verschmiert, nicht aber die Graffitiker (ich mache da einen Unterschied). Die haben nur da hingesprüht, wo es eh auf Farbe kam, oder auf die Scheiben. Kein irreparabler Schaden.

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