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Einschränkungen

April 18, 2012

Als ich, es ist schon ein paar Tage her, das Wochenende auf meiner Couch rumlümmelte und mich in den Lesepausen vom Fernsehprogramm einlullen ließ, sah ich eine doch interessante Sendung übers Essen. Gesunde Ernährung und so. Lebensmittelzusätze. Food watcher.

Unweigerlich kam man zum Thema Nahrungsmittelallergien. Und wie es sich für so eine Sendung gehört, wurde ein Beispiel vorgestellt. Eine Familie mit einem vielleicht 5jährigen Sohn, der an einer Nahrungsmittelallergie litt. Eigentlich uninteressant.  Weil ich aber glaubte, da ginge es um die Behandlung durch Hyposensibilisierung , blieb ich hängen. Das interessierte mich. Es stellte sich raus, dass es doch nicht darum ging. Dafür bekam ich die Klagen der Eltern zu7 hören. Dass sie immer genau schauen müssten, was die Lebensmittel enthalten. Das stimmt. Ich kenne das. Das Kleine Kind hat einige Lebensmittelallergien und -unverträglichkeiten, dazu allergisches Asthma.  Das hat dazu geführt, dass ich mich irgendwann auf 3-4 Ketten „eingeschossen“ hatte, weil so ein Einkauf doch recht lange dauern kann, wenn man im Kleingedruckten nach möglichen Allergenen suchen muss.

Verblüfft hat mich die Aussage der Mutter, dass sie den Sohn nie zu Freunden lassen könne. Allein. Da müsse sie immer mit.

????

Warum, frage ich mich, sagt sie den Müttern der Freunde nicht Bescheid? Informiert sie über die Allergie des Sohnes, erklärt den Gebrauch des Nothilfesets und was im schlimmsten Fall zu unternehmen ist? Im Kindergarten, stellt sich heraus, klappt das ganz wunderbar! 

Es macht mich traurig zu sehen, wie Eltern ihre Kinder aus Überfürsorge einschränken und daran hindern, selbstständig mit ihrem Handicap umzugehen. Denn nur so lernen sie, den Gefahren, die ihnen im Alltag auflauern, zu entgehen.

Das Kleine Kind jedenfalls, dass auch jede Klassenfahrt mitgemacht hat und auf Kinderkletterfahrten oder in Trainingslagern war, lernte irgendwann selbst mit seinen Allergien umzugehen. So rief ich zwar jedesmal vor Klassenfahrten noch in der entsprechenden Küche an (weswegen das Kind ab einem bestimmten Alter meinte, ich sei ein bisschen gluckenhaft), um auf die Ankunft vorzubereiten, die Betreuer wussten Bescheid und sie hatte natürlich ihr Notfallset mit, Sorgen aber habe ich mir nie gemacht. Weil sie nämlich irgendwann selbst eine Art Gespür entwickelt hatte für das, was ihr schaden könnte. Und auch ihre Klassenkameraden und Sportfreunde lernten, ohne großes Brimborium, damit umzugehen und die Einschränkungen  zu akzeptieren.

Unfälle der Art, dass wir mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren sind, sind natürlich auch passiert. Allerdings nie, wenn das Kind bei Freunden, auf Klassenfahrt oder sonstwie unterwegs war.

So etwas bleibt wohl nicht aus. Trotzdem, denke ich, hängt es von jedem einzelnen ab, ob er sein Leben mit der Allergie bestimmt, oder die Allergie sein Leben. Und Kinder sollten die Chance haben, das zu lernen. Denn wie man damit umgeht, das ist schließlich auch eine Form der Lebensqualität.

8 Kommentare leave one →
  1. April 18, 2012 11:17 am

    Ich war zum Glück von Allergien verschont. Die Kinder aus Lummerland sind ohne grosses PiPaPo aufgewachsen trotz einer jahrelangen Neurodermitis und ein paar anderen Kümmernissen.
    Ich frage mich allerdings manchmal, wie ich selbst das alles überlebt habe: ohne Handy / Play-Station / TV, wir spielten draussen bis es dunkel wurde (das war die Grenze) sommers wie winters, bei Raufereien war hinterher kein Psychologe nötig, mit doofen Lehrern (zu meiner Zeit etliche Alt-Nazis) mussten wir alleine klarkommen, auf Spielplätzen waren die Geräte gefährlich, Spielzeuge hatten giftige Lacke, Wasser tranken wir aus der Leitung, es gab keine Kindersicherungen in den Steckdosen und keine Kindersitze in den Autos….
    Irgendwie müssen es die Kinder von damals geschafft haben…

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    • April 18, 2012 3:18 pm

      Manche Leute sprechen da von ganz konkretem Darwinismus…
      Ich glaube, die irren sich. Und unsere Kindheiten (meine wohl etwas später…) waren, glaube ich, glücklicher.

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      • April 18, 2012 3:36 pm

        …zumindest ich hatte „elternfreie Zonen“ 😉

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        • April 18, 2012 3:52 pm

          Die hatte ich auch. Und nicht nur in den Ferien.
          Ich durfte auch schon mit 6 Jahren manchmal allein zur Schule gehen, trotz der bösen Straße.
          Wogegen haben wir uns eigentlich aufgelehnt mit 14?!?

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  2. Gudrun permalink
    April 18, 2012 2:17 pm

    Ich hatte im Reformhaus im Allecenter einen ganz jungen Kunden. Er kannte seine Unverträglichkeiten und die Nahrungsmittel, die er kaufen konnte. Ich fand das gut und habe das dem Jungen auch mal gesagt. „Ach was“, meinte er, „zum Seife kaufen brauche ich meine Mutter doch auch nicht.“
    Die Überbesorgtheit mancher Mütter ist mir unverständlich, vor allem, wenn es keinen so unmittelbaren Grund gibt.

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  3. April 18, 2012 3:41 pm

    ich glaube, daß diese eltern selber noch nicht ganz „erwachsen“ sind und aus unsicherheit so übertrieben reagieren. genau wie so viele eltern ihre kinder jede freie minute einschränken mit tennis, klavierunterricht, ballet usw. da kann sich ein kind ja gar nicht entwickeln. wir hatten auch das große glück, daß wir bis zum dunkelwerden draußen spielen durften . das ist heute nicht mehr überall gegeben. da haben es die eltern heute schwerer, auch wegen des überangebotes von tv usw.

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  4. dodo permalink
    April 18, 2012 10:30 pm

    Danke!!! Danke für deine so perfekt treffenden Worte. Du sprichst mir als Allergikerin und Neurodermitikerin wirklich aus der Seele.
    Meine Eltern pflegten – glücklicherweise! – eine ähnliche Einstellung dazu wie du. Mir sind verschiedene Verhaltensweisen direkt zu Gewohnheiten geworden und ich empfinde sie gar nicht als Einschränkungen.

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  5. April 19, 2012 2:57 pm

    Dodo hat meine Gedanken geklaut 😉 „Leider war er/sie aber erster“ 🙂
    Wollte grad schreiben – danke für Deinen Beitrag, Du sprichst mir aus der Seele!!!
    🙂

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