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Betrachtungsweisen

März 11, 2012

Als ich gestern, nachdem ich pflichtgemäß bei einem Familiengeburtsag zum Kaffeetrinken aufgekreuzt war, zurück ins Wohngebiet raste radelte, wo Ian in einem Irish Pub schon auf mich wartete, um mit mir das Spiel Irland- Schottland zu gucken, lief mir Morag über den Weg. Obwohl in Eile, stoppte ich für einen kurzen, höflichen Small Talk über How are you und das woher und wohin.

Rugby? Morag, ebenfalls Mitglied der in L.E. ansässigen Englischsprachigen Comunity, ist eigentlich kein Sportfan. Aber als Engländerin weiß frau natürlich, was Rugby ist und entwickelt so  ganz eigene Betrachtungsweisen und Bewertungskriterien.

Minuten später erreichte ich den Pub, schob mich, noch nach Atem ringend durch die Menge vor zu Ian und ließ mich erschöpft auf den für mich reservierten Barhocker plumsen. Fast zeitgleich hatte ich schon das erste Guiness in der Hand und nachdem ich hastig den Fahrstress mit ein paar Schlucken weggespült hatte, verkündete ich: Morag kommt auch.

Ian hob die Augenbraue ganz so, wie Mr. Spock es getan hätte. So ein bisschen zweifelnd, an meiner Intelligenz zweifelnd.

Noch während die Nationalhymnen liefen, erschien Morag, im Schlepptau Becky. Sie drängelten sich zu uns durch und Morag kläre Ian sofort darüber auf, was er eigentlich schon wusste. Inch knows the play, ich gucke nur nach den Spielern.

Armer Ian.

2 Minuten nach dem Anpfiff verkündet Morag: Also meinen Wettbewerb haben die Schotten schon gewonnen. Während ich ihr stumm recht gebe, schiele ich nach Ian. Der nimmt es gelassen. Noch.

Dann aber verkündet Becky: Hoffentlich gewinnen sie auch das Spiel. Ich achte gar nicht auf meinen Irischen Freund, sondern wende mich gleich aufklärend an die Amerikanerin: Das würde mich tatsächlich freuen, nur leider wird das wohl nicht passieren. Die Schotten werden wie immer pausenlos und tapfer angreifen und großartigen Kampfgeist beweisen, allerdings schaffen sie es selten übers Mal. Und die Punkte machen dann die Gegner.

Da verwandelt Laidlaw einen Strafkick und es steht 3:0. Für die Schotten.

Na schau(?) rufen beide Ladies wie aus einem Mund. Hm, wiegele ich ab, ich werte das fast schon als schlechtes Zeichen, weil mit 3:0 sind die Jungs bis jetzt in jedem Spiel erst mal in Führung gegangen

Ian grinst. Dann kommt mir Jules zu Hilfe. Die Neuseeländerin gräbt sich durch die Masse, begrüßt die Freundinnen und labert mit ihnen ein bisschen über Rugby. Als es dann um die figürliche Auswertung der über den Bildschirm huschenden Spieler geht, hänge ich mich wieder ins Mädchengespräch. Ausführlich werten Jules und ich das Spiel aus, als vor einer Woche einem Iren das Trikot zerfetzt wurde und er sich sehr lasziv und sehr langsam das kaputte auszog, sich ewig Zeit ließ, mit freiem Oberkörper am neu gereichten vorn und hinten zu finden, um es dann quasi in Zeitlupe wieder über zu streifen. Frauen sind eben in der Lage, so ein Spiel komplex zu betrachten und vor allem die Spieler nicht nur ob ihres technischen und taktischen Könnens zu bewerten. Jules und ich wenden uns wieder dem immer breiter grinsenden Ian und dem Spiel zu. Auch Morag bekundet einiges Interesse und bestätigt: Es ist genau wie Du gesagt hast. Die Schotten sind gut, aber schlecht im Abschluss.

Obwohl die Schotten einen sehenswerten Versuch legen, führen die Iren zur Halbzeit 22:14.

Alles stürmt raus zur Zigarettenpause. Morag zweifelt daran, dass unsere Hocker, über die wir vorsorglich ein paar Jacken legen, tatsächlich frei bleiben. In England, warnt sie, würde man die Jacken wohl einfach runter schmeißen. Aber Ian beruhigt sie: Keine Angst, this is Germany.

Die zweite Halbzeit ist längst nicht so schnell wie die erste. Alle Spieler kommen ziemlich erschöpft rüber und 20 Minuten lang macht niemand Punkte. Wir nutzen die Zeit, Becky ein bisschen die Regeln zu erklären. Sogar Ian hilft mit, Steve und Marten hängen sich auch rein. Zum Glück ist sie am Sport tatsächlich so wenig interessiert, dass sie Rugby nicht mit American Football vergleicht, wie es der arme Mike vor ein paar Wochen tat. Was im Grunde ja ok ist, solange man nicht meint, das A.F. das bessere Spiel ist, das härtere, das intelligentere usw.

Dann schon lieber Spiele und Mannschaften rein nach der Figur, die sie machen, beurteilen.

Am Ende gewinnt, wie nicht anders zu erwarten war, Irland. Und der  Abend findet seine Fortsetzung in einem fröhlich friedlichen Besäufnis der Schotten, Iren und sonstigen Briten gemeinsam mit den Amis, Neuseeländern, Australiern und Deutschen.

Aber ehrlich, bei dieser Veranstaltung, würde man daraus einen Wettbewerb machen, verlieren wir Deutschen immer!

Ach ja, den Ladieswettbewerb gewann fast einstimmig Richie Gray

Quelle: telegraph

Quelle: telegraph

11 Kommentare leave one →
  1. März 11, 2012 11:28 am

    (Ian? Ian Dunn?) Welcher Pub ist das denn, von dem Du hier so schwärmst?

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    • März 11, 2012 11:43 am

      Gestern war ich im Killi. Und Ian ist ein Irischer Kumpel, der sich seine Brötchen grad in L.E. verdient

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      • März 11, 2012 12:36 pm

        Ah, das Killiwilly.

        Ian Dunn ist ein Schotte, den ich aus der Pubszene hier in HAL (im Fiddler, als Patrick noch der Inhaber war) kenne, und der sich ausschließlich in Irish Pubs rumtrieb. 😉

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  2. März 11, 2012 3:44 pm

    So, wie du den Abend beschreibst, hat man wirklich das Gefühl, dabei gewesen zu sein.
    Meine Familie hatte mich zur letzten Fußball-WM mit in den Clara-Park geschleppt. So richtig wohlgefühlt habe ich mich nicht. Nur eines war ähnlich: Meine Tochter und ich schauten nach den Spielern. Wir hatten auch Favoriten, aber wir waren da mal lieber leise. 😀

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  3. Brigitte permalink
    März 11, 2012 6:00 pm

    Und das war „nur“ ein Rugby-Spiel. St. Patrick’s Day kommt noch….
    Vor Jahren war ein irischer Freund von uns hier Mitinhaber einer Kneipe, das war immer schön. Guiness und Lachs (hat er immer von einem Familienmitglied einfliegen lassen). Und ein Gläschen Tullamore Dew als Absacker 🙂
    Liebe Grüsse und einen schönen Sonntagabend

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    • März 12, 2012 2:44 pm

      Erinnere mich bloß nicht daran! Der ist am nächsten Samstag. Ich hab auch schon entsprechende Ankündigungen bemerkt. UND am Samstag ist das Six Nations Finale, d.h. 3 Spiel, die ich im Pub zu sehen gedenke. Aber ich würde gern ohne St. Patrick… geht aber nicht im Irish Pub, nee?

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      • Brigitte permalink
        März 12, 2012 2:59 pm

        Nee, geht garnicht. Und grüner Kleeblatt-Button ist Pflicht. 🙂

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  4. März 11, 2012 6:21 pm

    Richie Gray dürfte der Blondschopf auf dem Foto sein, wenn ich mich nicht täusche? Sieht ein wenig aus wie Rugby-Boygroup *gg*
    Und überhaupt: Ich würde mich als Mann ja nicht trauen so einen Text zu schreiben, man ersetze Rugby mit Frauenfußball und die weiblichen Kommentare durch männliche, was dann los wär. Au wei 😀
    Allerdings hat Celia Okoyino da Mbabi sich noch nicht lasziv ein neues Trikot übergestreift, soweit ich mich erinnere :).

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    • März 11, 2012 10:51 pm

      Exakt. Und Rugby Boygroup gefällt mir gut. Werde ich den Ladies mal sagen. Allerdings, der Typ dürfte an die 2m groß sein, ich weiß jetzt nicht, wie sich so was großes in ner Boygroup macht *g*
      Ja, und das ist der Vorteil, den wir Frauen haben: Wir dürfen ungeniert schreiben, wofür WIR Euch als Sexisten niedermachen würden. Wie’s verbal aussieht, weiß ich nicht. Ich habe noch nie mit Männern zusammen Frauenfußball geguckt. Nur Biathlon. Da halten sich die Herren tatsächlich – verbal – zurück, jedenfalls, wenn ich dabei war immer. Ich war aber schon mal mit männlichen Kreischis bei den Beers, als deren beide Töchter noch als Biathletinnen aktiv waren

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  5. März 16, 2012 4:40 pm

    Morag ist Engländerin? Der Name läßt das nicht vermuten…

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