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Der richtige Beruf

Januar 8, 2012

Das kleine Kind, es macht grad Abitur, lässt keine Chance vergehen, rauszufinden, was es nach der Schule machen will. Zwar landet sie immer wieder irgendwie in einem philologischen Bereich, trotzdem finde ich das gut.

Schließlich wird sie bis zur Rente mit ihrer Berufswahl leben müssen, und da ist es schon gut, wenn Neigungen, Interessen und Begabungen einigermaßen einher gehen.

Das große Kind z.B. hat einst ihren Traumberuf erlernt,  dann aber festgestellt, dass es vielleicht doch nicht so das richtige ist und macht grad eine 2. Ausbildung. Aber lieber so, als dann 40 Jahre  unglücklich im Beruf zu sein. Immerhin hatte sie nicht die Möglichkeit, während der Schulzeit mal in einem Praktikum auszutesten, was ihr liegt.

Da hatte das kleine Kind schon mehr Glück. Nach dem zweiwöchigen Praktikum bei Biologen, Neurochirurgen, IT-Managern, Veterinären und Laborantinnen war klar, dass sie Biologie studieren will. Nach der BeLL in einer von einem Biologen geleiteten Forschungsgruppe war klar, dass sie Biologie keinesfalls studieren will.

Ich wollte ja immer Slawistik studieren. Aber dazu war ich in der Schule zu blöd bzw. zu faul. Zwar war mir schon als Kind prophezeit worden, dass ich mal in der Landwirtschaft oder so lande, aber nee, ich wollte was mit Russischer Literatur, Sprache, Kirchen.

Im Produktionsunterricht in der Schule hab ich auch immer bewiesen, dass ich für jegliche Form praktischer Arbeit ungeeignet bin.

Immerhin, ich habe in irgendeiner Fabrik irgendwelche Teile in Färbebecken getaucht und diese wurden nicht sofort auf den Schrott geschmissen. Ich habe mal eine kleine Trennmauer gemauert. Die war ziemlich schief, hielt aber. Ich hoffe, sie hielt auch noch, als der kleine Gabelstapler sein neues Quartier bezog.

Dann allerdings musste ich zu einem Elektriker. Ich sollte eine Berufsausbildung mit Abitur zum Zerspanungsfacharbeiter machen (fragen Sie mich bitte nicht, was ein Zerspanungsfacharbeiter ist!!!), da meinte der USP-, später PA-Lehrer, dass ich bei einem Elektriker gut aufgehoben wäre.

Wissen eigentlich alle, was USP bzw PA war? Also USP heißt Unterricht der sozialistischen Produktion, das wurde später in PA (Produktionsarbeit) umbenannt. Es gab noch ESP, Einführung in die sozialistische Produktion, das war die Theorie und wechselte wöchentlich mit USP. Aller 14Tage ging es also für ein paar Stunden in eine Fabrik, eine Werkstatt, eine Genossenschaft; eben irgendwohin arbeiten.

Und ich landete irgendwann bei einem Elektriker. Das arme Schwein. Der hat aber auch immer so komische Sachen von mir verlangt. Ich sollte ihm z.B., während er auf irgendeiner Leiter stand, immer  Werkzeug mit merkwürdigen Namen, von denen ich noch nie gehört hatte, reichen. Also ich kenne Hammer, Bohrer, Schraubenschlüssel, Schraubenzieher, Feile. So. Aber was ist denn ein Zwölfer? Und was weiß ich denn,  was an einem Kabel die Isolierung ist? Also damals wusste ich das nicht.

Ich weiß nicht, wie lange er meinen USP-Lehrer um Erlösung angefleht hat. Vielleicht gar nicht so lange. Schließlich hatte ich auch im ESP-Unterricht schon mit sehr kreativen Schaltkreisen geglänzt.

Ich landete in einer Gärtnerei. Das war einfach. Blumenkohle in Kisten verpacken, Setzlinge aus dem Gewächshaus holen. In der DDR war auch das Angebot in den Gärtnereien recht übersichtlich.

Und dann habe ich, obwohl ich mich in drei Slawischen Sprachen verständigen konnte, doch irgendwas mit Tieren gemacht. (Immerhin weiß ich, was ziffr katschestwa semlja bedeutet). Das war nicht immer die Erfüllung, streckenweise sogar einfach nur eine Möglichkeit, das nötige Geld zum Leben zu verdienen. Zum Glück konnte ich vor 5 Jahren einen Job finden, der vielseitig  ist und Spaß macht, obwohl ich was mit Tieren mache. Kommt eben immer drauf an, WAS man mit Tieren macht.

Trotzdem. Hätte ich noch mal die Wahl, wäre ich noch mal 19, fleißiger und schlauer, würde ich wohl wieder Slawistik studieren wollen. Oder gleich Genetik.

10 Kommentare leave one →
  1. Januar 8, 2012 1:17 pm

    Wären wir alle noch mal 19, fleißiger und schlauer, würden wir heute alle wohl etwas anderes machen, außer den wenigen natürlich, die mit 19 schon schlau und fleißig waren.
    Leider gab es bei uns damals weder UKP (Unterricht der kapitalistischen Produktion) noch Praktika in denen man sich ausprobieren konnte. Dafür ein Berufsberatungsgespräch beim Arbeitsamt, bei dem man erklärt bekam, welcher Beruf nicht geeignet ist (dafür hätten Sie in Mathe fleißiger sein müssen/dafür gibt es leider nicht genug Lehrstellen/dafür ist ihr Notenschnitt zu schlecht), zusammen mit schrecklichen Alternativen, die einem selber im Traum nicht eingefallen wären. Irgend etwas mit Computern wäre schick gewesen, die gab es aber leider noch nicht.
    Heute bin ich mit meinem Job eigentlich ganz glücklich, hat aber verdammt lange gedauert da hinzukommen.

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    • Januar 8, 2012 6:34 pm

      Ja, man könnte sich viel Frust ersparen, wüsste man mit 19 schon, was man mit 50 weiß. Allerdings würde einem vermutlich auch viel Spaß entgehen…

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  2. Januar 8, 2012 8:57 pm

    Soso, da sind unsere kleinen Kinder beide mit dem Abi beschäftigt. Meines ist nur ein bissel älter, denn sie hat eine Ausbildung zur Schauspielerin (Bühnendarsteller heißt das heute) hinter sich. Das war der Traumberuf aber auch nicht.
    Zerspanungsfacharbeiter sind Fräser, Dreher … Ich habe mal meine Diplomarbeit im Maschinenbau geschrieben. 😀
    Im nächsten Leben werde ich Informatiker, oder Schriftentwickler, oder Hebamme. Also, es geht wiedr los! 😀

    Liebe Grüße von der Gudrun, der es schon ein ganz kleines bissel besser geht
    (Sag mal, wenn du mit Tieren zu tun hast, sind da auch Schafe und Ziegen dabei?)

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  3. Januar 8, 2012 9:50 pm

    zu deinem Trost – 1. erstens gibt es zum Glück keine Zeitmaschinen und 2. ist es (fast) nie zu spät. Ich habe eine abgeschlosse Lehre und ein Studium. Und nebenher habe ich, soweit die Zeit das erlaubte, das gemacht, was mir Spass machte. Und jetzt studiere ich an einer Fernuni der Rente entgegen und zwar das, was ich eigentlich schon immer machen wollte….

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    • Januar 9, 2012 7:19 am

      Noch mal zur Uni gehen, dazu wär ich zu faul. Aber sonst, klar, macht man nebenher, was Spaß macht. Ich habe im Laufe der Jahre z.B. noch ein paar mehr Sprachen gelernt, was dann irgendwie auch ganz gut für den Job war, 😉
      Außerdem mag ich ja den Beruf, den ich jetzt habe, schon auch. Ich war nur fast 2 Jahrzehnte an der falschen Stelle. Jetzt siehts schon besser aus. Und Tiger retten kann ich ja später noch, da ist es dann auch wieder gut, dass ich ein paar Sprachen mehr spreche 😀

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  4. Januar 8, 2012 10:11 pm

    Das ist eine so spannende Frage! Tja, wenn ich nochmal 19 wär… Wahrscheinlich würde ich Medizin studieren. Mir wurde das früher immer ausgeredet, hatte kein Abi, dann war’s zu spät. Oder zu weit weg. Oder Germanistik, Literaturwissenschaften, Verlagswesen. So Zeug halt zum Armbleiben. Trotzdem bin ich eigentlich zufrieden, auch wenn ich nicht mehr so etwas modisches mit Kommunikation studieren würde. Die Sache ist nur, dass man seine Erfahrungen selbst machen muss. Man kann den Kindern nur Angebote machen und Wege aufzeichnen und hoffen, dass sie einen für sich guten beschreiten. Bei dir klingt das auch gut.

    ESP. Mein Horror. Nix kapiert und in der mündlichen Prüfung den Schaltkreis zerschossen. In PA stand ich ebenfalls an der Fräse. Später haben wir Teile zusammengeschraubt. Vier Stunden am Stück. Kein Wunder, dass keiner in die Produktion wollte. Lustig war’s trotzdem. Und später dann zur Apfelernte…

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    • Januar 9, 2012 7:24 am

      Ja, ne? Das war das Gute an USP und ESP und PA. Es wurde einem drastisch vor Augen geführt, wo man landen kann, wenn man nicht wenigstens ein bißchen in die Schule investiert.
      Aber Du hast schon Recht, außer da beim Elektriker, wo ich ja ganz allein war, (sonst waren wir ja wenigstens zu viert), hatten wir schon unseren Spaß. Irgendwie.
      Und heute ist ja das Gute, dass sich die jungen Menschen erst mal, naja, ausprobieren (?) können. Daran musste ich mich beim großen Kind auch erst mal gewöhnen. Von wegen erst mal rumjobben und so. Früher haste einen Beruf gelernt, dann vielleicht noch studiert, oder gleich was studiert, und das war dann bis zur Rente (bzw bis zur Wende) Dein Beruf.

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      • Januar 10, 2012 9:01 am

        Mir kam die Wende ins Musikstudium geschossen. Also ins Vorstudienjahr (ging ja ohne Abi.)
        Und dann ging’s bei mir los mit der Rumprobiererei. Ausland, Lehre, arbeiten, Abi nachholen, studieren… Es hatte auch sein Gutes.
        Und nur einen Job bis zur Rente, das wär nix für mich. Aber damals war das so. Und man hat sich eingerichtet. Die Kollegen waren wie eine Familie, das gibt’s heute auch nicht mehr.

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