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Inselhopping Act 6: No boat

Oktober 5, 2011

An meinem geplanten letzten Abend auf Eigg ist richtig was los. Ein Lettisches Pärchen baut sein Zelt an der einzigen möglichen Stelle auf, neben den Schweinen. Das sieht bedenklich aus, so als gäbe es unter dem Zeltboden Luftlöcher.

Die Crofter sind auch wieder nach Hause gekommen und nebenan zieht ein weiteres Pärchen in eine Finnhütte ein. Die haben da immerhin einen Waschraum, ich vermute mal, auch ordentliche Toiletten, während es auf Sue’s campsite nur einen Kaltwasserhahn gibt und ein Plumsklo. Auch wenn sie es Humusklo nennt, es ist ein Plumsklo.

Wir sitzen vor der Jurte, bestaunen das Abendlicht und die Regenwolken, die von Rum herüberziehen, bis eben diese uns in unsere temporären Untekünfte vertreiben.

In der Nacht entwickelt sich der Regen zu einem von heftigen Stürmen begleiteten Unwetter.

Die Jurte wackelt und gibt seltsame Geräusche von sich. Auch meine Nachbarn sind wach, wollen aber in ihrem Zelt aushalten.

Am Morgen, ich habe gepackt, geputzt und gefrühstückt, und beobachte durch das Fenster der Jurte wie der Sturm die Wolken über die Insel jagt, da kommt der Crofter und teilt mir mit: No boat.

No boat?

No boat.

Na toll, jetzt ist genau das passiert, womit man auf den Hebriden rechnen muss. Ich sitze fest. Wenigstens kann ich in der Jurte bleiben und der Crofter nimmt mich mit dem Wagen mit vor zum Pier und Lebensmittelgeschäft.

Sturm

Schon von Weitem sehen wir die Wellen unten am Pier aufspritzen. Die Anlegestelle sehen wir noch nicht.

Dort ist heute ganz schön was los. Klar, die Fischer können nicht raus und die 12 Urlauber sitzen fest. Nachdem ich geduscht habe (am Pier gibt es Duschen für Camper, meinen Einkauf hat der Crofter mit dem Wagen mit zurück genommen), treffe ich im tearoom die Letten. Die hoffen auf ein Amerikanisches Paar, das irgendwie dringend zum Flieger muss und deshalb ein Motorboot geordert hat.

Ein Australisches Paar erzählt mir derweil, dass ihre Urahnen von Eigg stammen und während der clearances nach Australien ausgesiedelt worden. Ihr Großvater ist dann vor oder während des 2. Weltkrieges wieder hierher gekommen, und hat Bäume gepflanzt (heute ist ein ganzer Park daraus geworden mit Bäumen und Pflanzen aus den Ländern und Kontinenten, in die die Crofter nach ihrer Vertreibung ausgewandert sind).

Zwei Mädchen bewirtschaften die Theke und am schwarzen Brett kann ich lesen, dass der jährliche Zahnarztbesuch vor der Tür steht. Ja, der tut Not. Mittdreißiger sehen ohne Zähne viel älter aus. Ein KFZ-Mechaniker wär vielleicht auch ganz gut. Denn mindestens jedes 2. Auto, schätze ich, würde auf dem Festland aus dem Verkehr gezogen. Ich denke mal, es gab hier so eine Art Abstimmung, auf der mehrheitlich beschlossen wurde, dass die Straße keine öffentliche ist und jedes Auto solange fahren darf, wie man es wieder hingeflickt bekommt. Das hilft ja auch bei der Müllreduzierung.

Leider schließen tearoom und Laden heute schon 15:00 Uhr, weil keine Fähre kommt.

Ich, optimistisch wie ich bin, wandere nach Kildonan. Der Sturm gibt sich alle Mühe, mich daran zu hindern. Dann fängt es allerdings wieder an zu regnen und ich suche Unterschlupf in einem interessanten „Laden“. Da bringt jeder hin, was er nicht mehr braucht und jeder kann sich nehmen, was er braucht. Klamotten und Bücher dominieren die Tische und Regale.

Zurück in der Jurte bin ich dann, vom Kampf gegen den Sturm, völlig durchschwitzt.

Allein sitze ich in meiner Unterkunft und finde das Leben grad richtig Scheiße. Also jedenfalls hier, in diesem Moment. Das kann ich nicht zulassen, also beschäftige ich mich mit dem Versuch, Feuer zu machen. Das dauert immerhin so eine Stunde. Und dann koche ich mir ein richtig leckeres Mal. Durch die Scheibe der Jurtentür sehe ich zu, wie der Sturm den Regen über die Insel treibt.

Am Mittwoch morgen dann die Mitteilung des Crofters, dass die Shearwater kommt. Das ist ein kleineres Motorboot, das, wenn es das Wetter zulässt, die Fähre ersetzt. Mit ihr kommen Urlauber, die die Jurte gebucht haben. Mist. Ich rufe in Muck an, doch dort rät man mir davon ab, heute zu dieser Insel über zu setzen. Erstens sind die gar nicht so sicher, ob die Shearwater tatsächlich anlegen kann, zweitens hätte ich auf Eigg eher eine Chance, bei Schlechtwetter zum Festland zurück zu kommen.

Das wars dann also. Muck, meine letzte Station auf meiner Inselhüpfreise, fällt dem Sturm zum Opfer.

Ich brauche ein Quartier. Zelten kann ich hier nicht. Der Crofter denkt über seine altertümlichen Wohnmobile nach. Nee, Bitte! Ich habe die Nase voll von seinem Humusklo, den schnarchenden Schweinen und überhaupt. Er telefoniert ein bißchen rum und dann ziehe ich in ein B&B, das Dank der shearwater heute frei geworden ist.

Ah! Was für ein Luxus! Toiletten, Duschen, freier Internetzugang!!! Um in mein Zimmer zu gelangen, muss ich allerdings durch die gute Stube der Crofter. Die Häuser sind hier nun mal nicht größer. Und mich stört es auch nicht.

Ich versuche noch einmal Richtung Norden zu wandern, in den Teil der Insel, wo es keine Wege gibt. Aber der Regen hat die Trampelpfade durch die ungemähten Wiesen in rutschige Schlammtrails verwandelt und der Sturm zerrt an meinem Regencape, dass ich fürchte, gleich abzuheben.

Also besuche ich ein altes unbewohntes Croft, das als Museum dient. Sue’s Mann erzählt mir später, dass das Haus, als er vor 18 Jahren auf die Insel kam, noch von einer alten Frau bewohnt wurde. Es gibt nur zwei Lampen im Haus, kein fließend Wasser und natürlich keine Toilette. Ja, bestätigt mir Mack, als er auf die Insel kam, hat er Strom ins Haus gelegt. Mack ist der Elektriker der Insel.

Ich habe Postkarten an die Kinder geschrieben. Aber die können die Insel erst mit mir verlassen. Die drei Postkästen des Eilands werden jeweils eine Stunde vor Abfahrt der Fähre geleert. Dazu kommt der Postbote sogar mit einem höchst offiziellen roten Auto. Im Übrigen ist der Mann aber auch für das ordnungsgemäße An- und Ablegen der Fähre, sowie deren Ent- und Beladung verantwortlich. Als Verkäufer hab ich ihn auch im Laden gesehen und was er sonst noch so macht, weiß ich nicht.

Ich bin wieder vor in den tearoom gelaufen. Nur hier hat man Handy – Empfang … wenn der Sturm nicht zu stark ist.

Die Letten, die gestern mit den Amerikanern mit wollten, sind noch da. Auch das Französische Paar treffe ich, die Australier und, ja, auch die Amerikaner. Alle sitzen da und hoffen, dass die shearwater wirklich kommt.

Es gibt übrigens auch eine Schule auf Eigg. Die liegt genau in der Mitte der Insel, gleich neben dem Tauschladen, der Old Irish Shop heißt.

Am Donnerstag morgen dann strahlt die Sonne, als wäre nix gewesen. Ich laufe noch mal zur Laig Bay runter, bevor mich Jacky und Mack zum Pier fahren.

Die Fähre fährt erst mal nach Muck, Ich fahre mit. Sicher ist sicher. So sehe ich die Insel wenigstens.

Die Hafeneinfahrt ist wirklich eng und selbst bei ruhiger See braucht es Zeit, bis das Boot an den Steg passt. Dann geht’s zurück nach Eigg, wo der Schaftransporter, der 2 Stunden vorher an Land gegangen ist, voll beladen wieder zwischen die PKW geschoben wird. Das sieht schon spannend aus. Meine Postkarten an die Kinder kommen auch mit an Bord.

Das Album:

Inselhopping 2011: Mallaig, Isle of Eigg und Isle of Muck
4 Kommentare leave one →
  1. Oktober 5, 2011 9:18 pm

    ich bin begeistert von deiner Schilderung!

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  2. kuddels permalink
    Oktober 6, 2011 12:55 pm

    Soetwas erlebst Du nur alleine.Ich beneide Dich!!!!!!!!!!!!1V.G. Kuddel

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    • Oktober 6, 2011 5:10 pm

      Ja das stimmt. Ich hatte das Gefühl, die Umgebung viel intensiver wahr zu nehmen und allein kommt man, zwangsläufig, auch mit mehr Menschen ins Gespräch.

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