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Neulich beim Bäcker Teil I

September 27, 2011

Kennen Sie noch das Wort Herrenbrot?

In der Gegend, in der ich aufwuchs, nannte man das, was heute als Baguette bekannt ist, so.

Und letztens, ich hatte Lachscreme gemacht und begab mich, da diese am besten auf knusprigen Weißbrot schmeckt,  also zum Bäcker meines Vertrauen,  um  die  Französische Variante käuflich zu erwerben.

Und da lagen sie, Baguette an Baguette. Aber auf dem Preisschild am Regal, ich kniff die Augen zu und schaute erneut, glaubte ich doch, mein Verstand spiele mir einen Streich, stand: Herrenbrot.

Ich weiß und sage das nur, um besonders eifrigen Lesern ein paar Mausklicks zu ersparen, dass Herrenbrot eigentlich und ursprünglich nichts anderes als ein Weißbrot war, das Teil aus feinem Weizenmehl, was nur dem oberen  schmarotzendem Teil der Bevölkerung vorbehalten war, während der unterdrückte, gedemütigte und später revolutionäre Teil sich mit billigem Zeugs aus Roggen und so begnügen musste.  Ich war ja nicht doof in der Schule.  Im Grammatisch-Kritischen Wörterbuch der Deutschen Sprache, 1796, übrigens hier in Leipzig, also in Sachsen, veröffentlicht, hieß es: „ 1) Brot, welches für den Tisch des Herren bestimmt ist; im Gegensatze des Gesindebrotes. Ingleichen weißes, feines Brot, dergleichen für vornehme Herren gebacken zu werden pfleget….“ usw. usw.

Oder guggln Sie doch und Sie werden eine ganze Reihe seltsamer Kochrezepte finden, die eigentlich nichts mit dem Herrenbrot in seiner ursprünglichen Bedeutung zu tun haben.

Möglicherweise unterschied man dann, als alles Volkseigentum war und sich auch das Gesinde weißes Brot leisten konnte, zwischen Weißbrot und Herrenbrot. Aber das vermute ich mal nur so. Fakt ist, Weißbrot gab es, als ich Kind war, sonntags und Herrenbrot nur zu ganz besonders besonderen Anlässen.

Fakt ist auch, seit 1990 heißt das Herrenbrot allerorten Baguette. Was nicht schmerzlich ist.

Trotzdem, als ich es neulich las, regten sich in meinem Geiste wohlige Erinnerungen und mein Herz tat einen kleinen vergnügten Hüpfer,  ganz so wie man sich über  das unvermutete Auftauchen eines alten Spielzeuges aus Kindertagen freut.

5 Kommentare leave one →
  1. September 27, 2011 7:51 pm

    Oh, jaaaaaah! Das hieß ja so! (Manchmal auch Stangenweißbrot, wenn es aus dem VEB Kombinat Konsum-Backwaren o.ä. kam.)

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    • September 27, 2011 8:04 pm

      Stangenweißbrot! Stimmt. So hieß das auch. Wahrscheinlich eine Neunamensgebung der DDR, um das Wort Herren zu umgehen, so was wie Jahresendfigur mit Flügeln oder so. Aber bei unserem Bäcker war es immer Herrenbrot

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      • September 28, 2011 12:50 pm

        Stangenweißbrot hieß das bei uns im Westen auch, bevor es irgendann dann als Baguette bezeichnet wurde. Wohl als Unterschied zum Kastenweißbrot.

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  2. September 28, 2011 4:37 pm

    Im Norden nannte man das früher Meterbrot, irgendwann hat sich Baguette durchgesetzt und inzwischen entwickeln die Bäckereien hier auch gerne einen eigenen Namen dafür.
    Was eigentlich auch berechtigt ist, denn mit Baguettes hat das häufig nicht wirklich viel zu tun.

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  3. September 28, 2011 5:21 pm

    @ Doktor Peh. Es beruhigt mich zu hören, dass das Baguette bei Euch auch Stangenweißbrot hieß. Ich hätte denen hier wirklich zugetraut, dass die einen Begriff wie Herrenbrot für politisch unkorrekt halten und es deshalb umbenennen.
    @Zaphod: Meterbrot, das hab ich auch noch nie gehört, trifft’s aber irgendwie.
    Ja und das die hier als Baguette verkauften Herren, Meter- und Stangenweißbrote allesamt nix mit einem Baguette zu tun haben, steht ja außer Frage. Scheint sich aber als Baguette besser zu verkaufen, so von wegen savoir vivre.

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