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Inselhopping Act 2: Der Arran Coastal Way

September 20, 2011

Die Rufe des Rotwilds wecken mich am nächsten Morgen. Ich warte, bis die Sonne raus kommt um dann festzustellen, dass ich allein auf dem Zeltplatz bin (waren eh nur noch drei weitere Zelte da gestern)

Ich beschließe, die erste geplante Teilstrecke zu trampen und dann zurück zu wandern. Schließlich habe ich 5 Tage für den 80 km langen Weg eingeplant und einen Ruhetag kann ich mir eigentlich nicht leisten. Ich könnte natürlich auch mit dem Bus fahren, aber den habe ich, als ich 8:20 Uhr an die Haltestelle komme, um 15 min verpasst.

Ein Arbeiter der Arran Whisky Destillery nimmt mich mit bis Sannox und während der Fahrt erfahre ich, dass es eigentlich ziemlich bescheuert ist, die 80 km wandern zu wollen. Knapp die Hälfte des Weges führen nämlich auf der Straße lang, also über Asphalt. Die ist zudem schmal und kurvig und selbst für Radfahrer gefährlich. Nachdenklich steige ich in Sannox aus und laufe erst mal Richtung Corri. Der Insulaner hatte mir die Robbenbank gezeigt und die will ich erst mal sehen. Die Seehunde lümmeln hier nur während der Ebbe rum und die ist grad. Es ist unglaublich. Ich war frei lebenden Seehunden und Robben noch nie so nah! Große und kleine scheinen sich zu sonnen und nehmen kaum Notiz von mir. Ich sitze hier mindestens ne Stunde rum und genieße den Anblick und die Ruhe (ich bin ja seltsamerweise ganz allein hier, obwohl es in Corri immerhin ein Hotel und in Sannox einen Pub, also Menschen, gibt). Dann wandere ich zu den Fallen Rocks. Das ist ein Stück Coastal Way, der tatsächlich an der Küste lang führt. Also das tut die Straße ja auch. Sie ist wirklich fantastisch. Nur zum Wandern eben nicht. Auf dem Rückweg komme ich dann in den Genuss, auf der Straße zu „wandern“.  Aber hinter Corri hat mir der Whiskybrenner einen Waldweg beschrieben, über den ich dem Asphalt ausweichen kann.

Am Dienstag nehme ich den Bus nach Machrie. Machrie besteht nur aus einem Haus. Hat aber einen Golfplatz, der über die Straße geht, und natürlich einen Parkplatz (für die Golfer). Überhaupt scheint auf der Insel, 3000 Einwohner, jeder brauchbare Flecken in einen Golfplatz umgewandelt worden zu sein. Und ich sehe da auch ständig 3-5 Leute spielen. Das scheint wirklich eine Art Nationalsport zu sein. In Brodick gibt es, neben dem wirklich riesigen Golfplatz, immerhin auch einen Rugby/Fußballplatz, einen Tenniscourt und einen Bowlingcourt!!! Bei letzterem hätte ich ja gern mal zugesehen, aber die Plätze sind verwaist.

Beim Wandern bin ich auch allein. D.h. in Machrie Moor treffe ich zwei mal Menschen. Immerhin gibt es dort 10 (in Worten zehn) Steinkreise und die ziehen schon mal den einen oder anderen Besucher an. Es ist unglaublich. Die Steinkreise, die Stille, der Blick zum Meer und übers Land. Leider bleibt es den ganzen Tag bewölkt, aber es regnet nicht.

In Blackwaterfoot steige ich in den falschen Bus. Es gibt hier nämlich nicht nur die eine Straße, die rund um die Insel führt, sondern noch eine zweite, die die Insel direkt vom Westen in den Osten durchquert. Da muss man schon ein bisschen aufpassen. Ich lande jedenfalls wieder in Brodick im Osten, statt in Lochranza im Norden. Weil es erst 15:30 Uhr ist und für den Zeltplatz viel zu früh, will ich auf dem Coastal Way noch Richtung Lamlash laufen. Das ist auch so ein Stück, das nicht über die Straße führt. Als ich den Weg endlich gefunden habe, pfeift mich die Küstenwache aber zurück. Steigende Flut. Das ist noch so eine Besonderheit an diesem Rundwanderweg. Die Abschnitte, die es direkt an der Küste zu bewältigen gibt, sind oft Gezeitenabhängig. Manchmal gibt es Escape Routes, Fluchtwege, über die man sich bei Fehlplanung in Sicherheit bringen kann. Manchmal Höhlen, in denen man das Sinken der Flut abwarten kann, meistens aber dürfte man in ziemliche Not geraten, wenn man die tide nicht beachtet.

So schön der Zeltplatz ist, die Midgies sind eine Zumutung. Sie scheinen immer da zu sein und kriechen sogar in die Augen. Unmöglich, in Ruhe zu essen. Ich laufe lieber zwei Meilen, setze mich an den Strand und hoffe auf den Wind. Es gibt auch keine Duschen. Immerhin, zwei Toiletten und zwei Kaltwasserhähne.

Als ich am Mittwoch in Lochranza vorm Youth Hostel stehe, frage ich einfach mal, ob da noch was frei ist. Dann spaziere ich um die unglaublich schöne Bucht, springe in den Bus zurück nach Brodick. Dort regnet es, ziemlich heftig sogar und ich hab Mühe, mein Zelt und Gedöhns einigermaßen trocken zusammen zu packen. Dann mit dem Bus wieder nach Lochranza. Es gibt hier für 3,20 ein Dayticket, mit dem kann man den ganzen Tage um die Insel kurven (oder sie durchqueren) und die Busse dazu an jeder beliebigen Stelle anhalten. Das ist wirklich genial und viel besser, als Zelt und so 80km selbst durch die Pampa zu buckeln.

Ich bin also in Lochranza und laufe, nach dem Einchecken im Hostel, mit leichtem Gepäck Richtung Fallen Rocks. Als ich den Golfplatz überquere, denke ich: Was für eine Art der Rasenpflege. Da tummeln sich mindestens 40 Hirsche samt Kühen und Kitzen. Irgendwie bin ich froh, dass ich ein bissl vergessen hatte, wie groß die sind. Ich hätte mich sonst die letzten Nächte im Zelt sicher etwas gefürchtet. Als ich dann einen kleinen Berg erklimme, „fallen“ aus dem Unterholz neben mir ständig RIESIGE Hirsche auf den Weg. Die wollen wohl auch zum Golfplatz. Ich bin verunsichert. Sind Hirsche eigentlich gefährlich?  Als ich in der einsetzenden Dämmerung zurückkehre, sehe ich drei Golfer, die ihre liebe Müh und Not haben, freie „Schussbahnen“ auf dem bewilderten Platz zu finden. Da hier auf der Insel auch allerlei Federvieh, vom Fasan über Reiher bis zu Viechern, die ich wirklich nicht kenne, vor Menschen zu posieren belieben, komme ich zu dem Schluss, dass es hier nicht nur wenige Menschen gibt (sieht man mal von den Golfern ab), sondern offensichtlich auch niemand jagt.

Dann stehe ich im sehr gut ausgestatteten Hostel vor dem für die Jagdgruppe reservierten Kühlschrank. Hm, liebe Jagdfreunde: Eine Herausforderung stellt Arran für Euch nun nicht gerade dar…

Am Donnerstag fahre ich mit dem Bus in den Süden der Insel, nach Kildonan. Von dort geht es, direkt am Strand entlang, nach Whiting Bay. Kildonan besitzt einen herrlichen Sandstrand und ich sehe live, was ich niemals glauben wollte: Badende und spielende Kinder in Neoprenanzügen! Irre! Sie haben Schwimmringe, Schlauchboote, bauen Sandburgen und rennen kreischend ins Wasser. Ganz wie an der Adria, der Riviera oder meinetwegen auch der Ostsee, aber eben in Neoprenanzügen. Zwar scheint heute wieder die Sonne, und nach vier Stunden Kletterei bin ich eigentlich sicher, einen Sonnenbrand zu haben, aber warm!, nee warm ist das Wasser deshalb trotzdem nicht.

Kletterei  deswegen, weil der „Weg“, übrigens nur bei Ebbe zu begehen, über riesige Boulderblöcke führt. So wird aus der Wanderei eine Kletterei und ich brauche 4 Stunden für 7,5 km! Gut, ich lasse mir viel Zeit, glotze zur Heiligen Insel rüber und pirsche mich an Kormorane und andere Fliegtiere heran. Die versprochenen sharks und dolphins kriege ich aber auch hier nicht zu sehen und von jagenden Robben lasse ich mich nicht mehr hinters Licht führen. Merke: Jagende Robben nicht mit durchs Wasser hopsenden Delphinen verwechseln!!!

Hinter  Largybag Point klettere ich hoch zu den Resten eines Steinkreises und genieße die Aussicht. Kurz vor meinem Ziel, Whiting Bay, stellt sich mir eine Rinderherde in den Weg. Ich bin ziemlich beeindruckt und versuche die Viecher irgendwie zu umgehen. Geht nicht und das macht mich so wütend, dass ich todesmutig mitten durch stapfe. Mann Mann Mann.

Lamlash, die eigentliche Hauptstadt der Insel, macht dagegen gar keinen Eindruck auf mich, oder einen verschlafenen. Ich denke mal, Brodick ist größer und lebendiger, zumindest der Co-op ist da größer. Einen Golfplatz gibt es natürlich auch in Lamlash.

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4 Kommentare leave one →
  1. September 20, 2011 7:41 pm

    Ich gebe zu, daß ich neidisch bin.

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  2. der_gustav permalink
    April 26, 2017 3:21 pm

    ich gebe zu, dass ich NICHT neidisch bin.

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  1. Inselhopping Act 4: Calum’s Road « Inch's Blog

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